| | | | | 4. Dezember 2022 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| | | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | unser Land lernt gerade. Es lernt, dass seine Menschen sich mit verschiedenen Ländern verbunden fühlen und trotzdem, hier, in Deutschland, zu Hause sein können. Unser Land lernt, dass eine Gesellschaft attraktiver wird, wenn sie vielschichtige Identitäten akzeptiert und respektiert. Unser Land lernt, dass es reicher wird, wenn es verschiedene Kulturen, verschiedene Lebensweisen integriert. Unser Land lernt, dass doppelte Staatsangehörigkeit, dass Mehrstaatigkeit kein Unglück ist und kein Missstand, aber auch kein Privileg â sondern "Ausdruck der Lebenswirklichkeit einer wachsenden Zahl von Menschen". Der Vorgänger von Frank-Walter Steinmeier, Joachim Gauck, hat das als Bundespräsident im Jahr 2014 gelernt und gesagt. Aber die CDU/CSU mag bei diesem Lernen nicht dabei sein. Sie war bei diesem Thema schon immer bockig, sie ist bockig und sie will bockig bleiben. Friedrich Merz, der CDU-Vorsitzende, redet über das Staatsbürgerschaftsrecht, als hätte er soeben ein Wochenendseminar bei der Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD hinter sich. Und Christian Dürr, der Fraktionsvorsitzende der FDP, assistiert ihm dabei. "Wer ein guter Deutscher ist â¦" Die Regierung Scholz will, wie sie es im Koalitionsvertrag versprochen hat, die Einbürgerung erleichtern. Die Gegner einer solchen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts reden von "Komplikationen und Konflikten", die eine Mehrfachstaatsangehörigkeit berge, wissen die aber nicht konkret zu benennen â da es sie praktisch kaum gibt (und wo es sie wirklich einmal gibt, halten das Völkerrecht, das Europarecht und das nationale Recht Instrumente zur Konfliktlösung bereit). In Deutschland laufen schon heute millionenfach Mehrstaater herum, ohne dass dies in der Praxis Probleme aufwirft. Mehrstaater sind schon heute automatisch alle EU-Bürger, die sich in Deutschland haben einbürgern lassen. Mehrstaater sind schon heute automatisch die Kinder aus gemischt-nationalen Ehen. Mehrstaater sind schon heute all die Menschen, die sich in Deutschland haben einbürgern lassen, die aber ihr Herkunftsland aus der bisherigen Staatsbürgerschaft nicht entlässt; dazu gehören zum Beispiel viele lateinamerikanische Staaten. Die Politiker der Union und der FDP sollten also aufhören so zu tun, als lebten sie und wir alle im 19. Jahrhundert. Damals stand tatsächlich im Lehrbuch des Staatsrechts: "Wer ein guter Deutscher ist, kann nicht zugleich Franzose sein." Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts gehört zu den Themen, die mich begleiten und die ich begleite, seitdem ich Journalist geworden bin. Es gab so viele Anläufe zu einer klugen Einbürgerungs- und Integrationspolitik. Auch die besten Köpfe der Union, Leute wie Richard von Weizsäcker, Heiner GeiÃler und Rita Süssmuth, haben vergeblich für diese Initiativen geworben und daran mitgearbeitet. Die CDU/CSU hat sie trotzdem blockiert. Das zählt zu den groÃen Bitternissen der Politik der vergangenen Jahrzehnte. "Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird." Diese Sätze stammen nun nicht von Friedrich Merz. Sie stammen von Bert Brecht. Sie sind seine bittere Klage über die Mystifizierung der Staatsangehörigkeit. Brechts beiÃender Spott ist schon einige Jahrzehnte alt. Er trifft immer noch. Der Pass kann und darf der Christenunion doch nicht mehr gelten als der Mensch.
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| | | Ein neuer Geist für das Einwanderungsrecht | | |
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| Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesem Jahr genieÃen können, was in den Corona-Jahren verboten war: die Weihnachtsmärkte, das adventliche Zusammenstehen, die Weihnachtsfeiern. Ich wünsche uns, dass wir den Anderen wahrnehmen können â als Mensch, nicht als Gefahr. Dann ist Weihnachten. Ihr | |
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | Mehr als eine Geschichte zu Weihnachten | |
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| | | | | | Arbeiten und Beten, Gehorchen und Rebellieren | | â so lauten zwei der Kapitelüberschriften dieses Buches über Frauenklöster und Klosterfrauen. Es ist ein wunderbares Buch, optisch und inhaltlich; es ist eines der schönsten Bücher des Jahres 2022, mit diesem Prädikat ausgezeichnet von der Stiftung Buchkunst. Es handelt von der Vergangenheit, der Gegenwart und Zukunft der Frauenklöster und von der Transformation der Klostergemeinschaften in einer Zeit, die vom Nachwuchsmangel und vom Kleiner-Werden geprägt ist. Das Buch bietet spektakuläre Einblicke in alte und neue Gebäude und Gebetsräume, in die soziale und ökonomische Wirklichkeit dieser Ordensgemeinschaften. In ihrer Einführung weisen die Herausgeberinnen darauf hin, dass gegenwärtig Gemeinschaftsprojekte boomen: solidarische Landwirtschafts- und Wohnungsbaugenossenschaften, Energiekooperationen, Baugemeinschaften und andere gesellschaftliche Initiativen, "die gemeinwohlorientiert statt profitmaximiert arbeiten, die das Richtige für Mensch, Gemeinwohl und Natur tun wollen". Sie fragen daher, "was viele in Kollektiven arbeitende, urbane, berufstätige, sich selbst verwirklichende nomadisierende und künstlerisch tätige Frauen mit und ohne Kinder von den Frauen, die heute im Kloster leben, lernen können". Dieses Buch gibt die Antwort darauf. In Interviews, in Porträts, in klugen Texten. Mir ist beim Blättern und Lesen ein Erlebnis meiner Kindheit eingefallen: Unsere Familie besuchte das Kloster Mallersdorf, die Schwester Oberin führte uns durch die prächtige Anlage, gegründet 1107, die seit 1869 das Mutterhaus des römisch-katholischen Ordens der Armen Franziskanerinnen ist. Der Orden ist sehr sozial engagiert â in Kitas, Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern. Als die Besichtigung zu Ende war, sagte meine Mutter zur Oberin, ihr sei aufgefallen, wie viele ausgesprochen schöne junge Schwestern es hier gäbe. Worauf die Oberin meinte: "Glauben Sie, unser Herrgott mag nur die Hässlichen?" Das ist Jahrzehnte her, die jungen Schwestern von damals leben heute im Altenheim des Klosters, der Nachwuchs fehlt. Wie kann â das ist der Ansatz des Buches, das ich hier empfehle â das spirituelle und kulturelle Erbe der Klöster erhalten werden? Jutta Görlich / Ulrike Rose (Hg.): Klosterfrauen Frauenkloster. Eine künstlerische Untersuchung zu Frauenklöstern im Wandel. Das Buch hat 176 Seiten mit fünfteiligem Leporello-Umschlag und enthält 120 farbige Abbildungen. Es ist erschienen im Verlag Jovis in Berlin und kostet 32 Euro. | | | | |
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| | | | | Deutschland ist raus | | â und der SZ-Kollege Holger Gertz erklärt, wie das zuging und wer den Preis für die WM in der Wüste bezahlt; er schreibt von den toten und den feiernden Wanderarbeitern in Katar. Gemessen daran, so bemerkt er, "dass so viele mit dieser Weltmeisterschaft nichts und absolut gar nichts zu tun haben wollten, ist das Theater jetzt, wo die Deutschen in der Vorrunde hinausgeflogen sind, gewaltig." Gertz ist ein groÃer Kenner des FuÃballsports und der FuÃballindustrie, er ist ein exzellenter Beobachter der katarischen Weltmeisterschaft und ein meisterlicher Schreiber. Es lohnt sich, sein Stück auf der Seite 3 der Samstags-Ausgabe zu lesen â das mit GrüÃen an alle "Erhitzten in Dschörmany" endet: "Es geht am Ende darum, groÃe Katastrophen von kleinen unterscheiden zu können." | | | |
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| | | | | | Meinung | | Kommentare, Kolumnen, Gastbeiträge und Leserdiskussionen im Ãberblick | |
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