was demokratische Strukturen betrifft, scheint Deutschland einen enormen Nachholbedarf zu haben. Warum sonst bräuchte es Programme wie „Demokratie leben“, für das – Tendenz steigend – sagenhafte 165 Millionen Euro Steuergeld im Jahr an insgesamt rund 600 Initiativen ausgeschüttet werden? Was einst und aus guten Gründen vom Staat zur Bekämpfung von Rechtsextremismus auf den Weg gebracht wurde, hat sich mittlerweile in einen riesigen und unüberschaubaren Subventionsapparat entwickelt, bei dem „Demokratie“ nur noch als Schlagwort dafür dient, um Interessengrüppchen zu versorgen und politische Vorfeldorganisationen auf Kosten der Allgemeinheit ins Leben zu rufen. Cicero-Autor Mathias Brodkorb ist für die Titelgeschichte unserer heute erschienenen Septemberausgabe tief eingetaucht ins Milieu der vermeintlichen Demokratieförderung – und kommt zu dem Ergebnis, dass da einiges erheblich aus dem Ruder gelaufen ist. Denn sobald weltanschaulich geprägte Nichtregierungsorganisationen mit Unterstützung des Staates einseitig in die öffentliche Meinungsbildung eingreifen, nimmt „die Demokratie in ihrer Substanz Schaden“, so Brodkorbs Fazit. „Wir betreiben die dümmste Energiepolitik der Welt“: Der frühere Energie-Manager Utz Claassen hält die aktuelle deutsche Energiekrise für ein hausgemachtes Problem und sieht die Bundesrepublik als energiepolitischen Geisterfahrer, der im Rest der Welt nur noch Fassungslosigkeit hervorruft. Im Interview, das ich heute mit ihm geführt habe, spricht Claassen über Waschlappen-Ratschläge, politische Ideologien, die verkorkste Gasumlage – und über die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Übrigens: Der Atomausstieg hat in Deutschland auch für einen Rückbau der ergebnisoffenen Forschung über Potenziale und Grenzen der Kernenergie gesorgt. Heute fehlt solches Wissen, wenn über die Zukunft der Atomenergie im Rahmen klimapolitischer Maßnahmen oder über AKW-Laufzeitverlängerungen diskutiert wird. Ohne freie Wissenschaft gibt es jedoch keine wissenschaftsbasierte Innovation, und Gesellschaft und Politik sind auf Argumente aus der Vergangenheit angewiesen, schreiben die beiden Wissenschaftler Max Krott und Michael Böcher in ihrem Gastbeitrag für Cicero. Auch der frühere Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer meldet sich mit einem Meinungsbeitrag bei uns zu Wort. Es geht um die Debatte über Frauenquoten in der CDU, die aus Zimmers Sicht „im Kern undemokratisch“ sind. Auf dem Bundesparteitag der Christdemokraten in zwei Wochen soll dennoch eine solche Quote eingeführt werden, doch das werde weder zu mehr weiblichen CDU-Mitgliedern noch zu mehr CDU-Wählerinnen führen. „Das Leitbild der Demokratie ist der mündige Bürger, der wählt und sich zur Wahl stellt – nicht aber die arithmetische Repräsentation von Gruppen und Interessen.“ Vor einem halben Jahr ist Russland in die Ukraine eingefallen, doch die militärischen Ziele wurden nicht erreicht – auch wegen westlicher Waffenlieferungen. Deswegen hat der Kreml seine Strategie neu justiert. Die Russen befinden sich in einem klassischen geopolitischen Dilemma, und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sie ihre Bemühungen um eine Verhandlungslösung verstärken. Ridvan Bari Urcosta mit einer aktuellen Analyse. Sonst noch was? Ja! Von Florenz über Dresden nach Berlin kleben sich derzeit Aktivisten der selbsternannten „letzten Generation“ an Gemälden namhafter Alten Meister fest. Auffällig oft wählen sie dabei sakrale Bildmotive aus und erklären ihre Motivation mit religiösen Metaphern. Ihre eigene Motivation ist nach Meinung meines Kollegen Ralf Hanselle indes äußerst profan: Alles dreht sich um das irdische Ego. Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |