Liebe "Wort zum Sonntag"-Freunde, das "Wort zum Sonntag" vom 8. Oktober 2016 zum Thema "Rund oder unrund?" wurde von Gereon Alter gesprochen. Rund oder unrund?"Wir wissen ja nicht, ob wir das nchste runde Jubilum noch erreichen." – Mit diesen Worten werde ich als Pfarrer immer hufiger zu unrunden Jubilen eingeladen: zu einem gro gefeierten fnfundvierzigsten Hochzeitstag, zum fnfunddreiigjhrigen Bestehen einer Einrichtung oder – wie noch diese Woche – zu einem einhundertelfjhrigen Vereinsjubilum. "Wenn das so weitergeht", sage ich manchmal scherzhaft, "feiern wir demnchst den siebenundzwanzigeinhalb Jahre zurckliegenden Einbau der Kegelbahn in unser Gemeindezentrum." Aber so lustig ist das gar nicht. Denn mal abgesehen davon, dass ich es kaum schaffe, diese vielen Jubilumstermine wahrzunehmen, haben sie fr mich oft auch einen fahlen Beigeschmack: "Wir wissen ja nicht, ob wir das nchste runde Jubilum noch erreichen." Da schwingt Angst mit. Zukunftsangst. Ob wir dann noch zusammen sind? Ob es unseren Verein noch geben wird? Ob es uns noch gut gehen wird? Besser, wir feiern jetzt schon mal! Ich halte das fr symptomatisch – fr eine Gesellschaft, die sich mehr an dem orientiert, was sie hat, als an dem, was noch kommen und werden kann. Symptomatisch fr eine Gesellschaft, die sich ngstlich an ihre Besitzstnde klammert, anstatt zuversichtlich in die Zukunft zu gehen. Symptomatisch auch fr eine Gesellschaft, die Angst vor dem Anderen und dem Neuen hat und daher lieber bei sich und beim Eigenen bleibt. – Dabei hatte das Jubilum ursprnglich einmal genau diesen Sinn: Den Aufbruch zu etwas Neuem zu ermglichen. Sie ahnen es: Der Ursprung des Jubilums liegt in der Bibel. Genauer: im Alten Testament, im Buch Levitikus. Da heit es: "Erklrt das fnfzigste Jahr fr heilig, und ruft Freiheit fr alle Bewohner aus. Es gelte euch als Jubeljahr." (Lev 25,10). – "Das fnfzigste Jahr": Das, was da gefeiert wird, kann man nicht alle paar Jahre wiederholen. Das geht nur "alle Jubeljahre". Denn es geht um etwas Groes. Es geht um Freiheit. Das Jubeljahr war ursprnglich einmal ein Jahr der Befreiung. Ein Jahr, in dem bewusst Altes losgelassen und aufgegeben wurde, um in Freiheit Neues ergreifen zu knnen. Wer in Abhngigkeit geraten war, dem wurde neue Selbstndigkeit gewhrt. Wer sich verschuldet hatte, dem wurden seine Schulden erlassen. Wer seinen Grundbesitz verloren hatte, dem wurde neuer zugeteilt. Eine Sozialreform, wrden wir heute sagen. Dahinter stand die berzeugung, dass unser Leben und alles, was wir haben, letztlich verdankt ist. Und dass es unsere Aufgabe ist, so damit umzugehen, dassallein Freiheit und Wrde leben knnen. Also gerade nicht: ngstliches Festklammern an dem, was ich habe und als mein Eigentum betrachte – aus Sorge, ich knnte es verlieren. Sondern: Dankbarkeit fr alles, was mir geschenkt worden ist, und die Bereitschaft, es mit anderen zu teilen – auf dassalleeine gute Zukunft haben. "Dem Vergangenen: Dank. Dem Kommenden: Ja!" hat der frhere UN-Generalsekretr und Friedensnobelpreistrger Dag Hammerskjld gesagt. Das ist der ursprngliche Sinn eines Jubilums. Nicht das ngstliche Festhalten des Vergangenen, sondern das mutige Hineingehen in die Zukunft und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Wie wre es, wir htten ein wenig mehr von diesem Geist? Nicht nur in unserem persnlichen Leben, sondern auch in unserer Gesellschaft. Wir wren eine mutige und zukunftsfhige Gesellschaft. Wir htten die Kraft, Anderes und Neues in das Bestehende zu integrieren. Wir wren eine freiheitsliebende, soziale und gerechte Gesellschaft. Und: Wir htten dann und wann etwas wirklich Rundes zu feiern. |