Die EM-Spezialausgabe am Montag, 1. Juli
| Was jetzt? | Die EM-Spezialausgabe am Montag, 1. Juli | |
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von Tammo Blomberg Autor im Sportressort von ZEIT ONLINE |
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England schien planlos, England schien ausgeschieden, England lag zurück. Bis zur 95. Minute. Dann stieß sich Jude Bellingham vom Gelsenkirchener Rasen ab und schoss eines der besten Tore dieses Turniers, per Fallrückzieher rechts unten ins Eck. So schön hat das auf Schalke sonst nur Klaus Fischer hinbekommen. Ein Traumtor, das umso wertvoller war, weil der Gegner es so schlecht verkraftete: Die Verlängerung lief erst 50 Sekunden, da ließen die Slowaken Harry Kane das nächste Tor köpfen. Vom Viertelfinale zum Turnier aus in weniger als drei Spielminuten, man musste Mitleid kriegen. Und falls Sie wissen wollen, wie es sich anfühlt, einen Sieg so spät geklaut zu kriegen: Schauen Sie ins Gesicht von Laura García-Caro. England dagegen hat sich noch mal durchgemogelt und steht trotz seines Nobody's-Darling-Fußballs, wie ihn mein Kollege Oliver Fritsch nennt, im Viertelfinale. Dank Bellinghams Artistik. Ob er das auch noch so hinkriegt, wenn er 66 ist? |
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| © Ina Fassbender / AFP via Getty Images |
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Belgien gegen Frankreich (18 Uhr, ZDF). Ein Spiel, bei dem es natürlich auch darum geht, wer denn nun die tapfersten Gallier sind. Es ist außerdem das Duell der Teams mit den schicksten Trikots im Turnier. Und, fast genauso wichtig: das fußballerisch wohl hochklassigste Achtelfinale. Jedenfalls wenn man auf die Einzelkönner blickt: Da flitzen und dribbeln Jérémy Doku (Belgien) und Ousmane Dembélé (Frankreich), da passen und lenken Kevin De Bruyne und Antoine Griezmann, da stürmen und schießen Romelu Lukaku und Kylian Mbappé. Alles Männer aus dem obersten Fußballerregal. Nur schön zusammen spielen sie bisher nicht. Und die französischen Stars müssen nun auch noch die Ergebnisse der heimischen Parlamentswahl verkraften. Einige von ihnen hatten sich während des Turniers gegen Marine Le Pens Rassemblement National ausgesprochen. Genützt hat es zunächst wenig, aber der zweite Wahlgang kommt ja noch. Wie sagte Kylian Mbappé: "Ich hoffe, dass wir auch am 7. Juli noch stolz sind, dieses Trikot zu tragen." |
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| © Lars Baron / Getty Images |
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Portugal – Slowenien (21 Uhr, ARD) |
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"Ich denke, ich wurde geboren, um Torwart zu sein", hat Sloweniens Keeper Jan Oblak mal gesagt. Was ihn zum geeigneten Mann für den heutigen Abend macht. Da darf Oblak mit Slowenien das erste große Achtelfinale in der Fußballgeschichte seines Landes spielen. Und für eine Chance auf das erste Viertelfinale braucht es sicher ein paar erstklassige Paraden. Oblak bekommt es nämlich mit dem portugiesischen Angriff um Bernardo Silva, Rafael Leão und Bruno Fernandes zu tun. Es gibt dankbarere Aufgaben. Unkrautjäten etwa. Oder Badputzen. Oder einem zur Egozentrik neigenden, aber hoch populären Fußballsuperstar erklären, dass er sich lieber auf die Ersatzbank setzen sollte. Auch unangenehm. Vielleicht hat Portugals Trainer Roberto Martínez das Cristiano Ronaldo deshalb noch nicht gesagt. In der portugiesischen Heimat aber diskutieren sie längst eifrig die Ronaldo-Frage: Macht er die Mannschaft besser oder darf er nur wegen seines Namens noch ran? Jan Oblak wird's egal sein – Hauptsache, Ronaldo trifft nicht. |
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| © Thomas Kienzle / AFP via Getty Images |
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(von Martin Schauhuber, "Der Standard", Österreich) |
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… diese EM pulverisiert Vorurteile. Deutsche Verlässlichkeit, deutsche Ordnung? Ha! Immer wieder ertappe ich mich dabei, über das Gastgeberland zu grübeln, als wäre ich bei einer U20-Kontinentalmeisterschaft in einem mir deutlich fremderen Land: Liegt es an den jeweiligen Lokalfürsten, dass manche Spielorte völlig überfordert sind, während andere glänzen? Toleriert die Bevölkerung die himmelschreiende Feedbackresistenz der Obrigkeit, laut der das Gelsenkirchener Verkehrskonzept "objektiv sehr, sehr gut funktioniert" habe? Sind diese kulinarischen Kuriositäten Realität oder Folklore? (Mettigel? Ernsthaft?) Gibt es die Deutsche Bahn wirklich? Aber am Ende retten die freundlichen Menschen und die fantastische Stimmung das ganze Turnier. Deutschland kann Fußball, der illuminierte EM-Tourist wankt hier auf fruchtbarem Boden. |
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"Wos is, Outwachla? Regnt's da eine?" | (österreichisch) | |
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Bedeutet übersetzt so viel wie: "Lieber Herr Schiedsrichterassistent, ich bin mit Ihrer Entscheidung nicht einverstanden. Befinden Sie sich etwa nicht im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte?" Der "Wachla" kommt vom Wacheln, vom Winken mit der Fahne; das Hereinregnen deutet auf einen Dachschaden hin. |
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Wer ist schon Europameister? |
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Die Schweiz. Im Mauern. Was biedere Fußballmannschaften auf dem Rasenplatz tun, macht Nicola Krause mit Backsteinen, Mörtelbrett und Wasserwaage. Der Mann aus Schüpfheim im Kanton Luzern gewann im vergangenen September die EuroSkills der Maurer. Und das, obwohl Krause schon aufgehört hatte, in diesem Beruf zu arbeiten, nachdem er sich bei einem Skiunfall schwer verletzt hatte. Jetzt ist er Europameister. Vielleicht ein gutes Omen für Manuel Neuer. |
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| © BuildPix / Construction Photography / Avalon / Getty Images |
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Was war das Zitat des Tages? |
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"Deutschland spielt zu Hause, da müssen wir uns noch mehr anstrengen. Aber sie sind bestimmt auch nicht glücklich, gegen uns zu spielen." | (Der Spanier Rodri blickt aufs Spiel gegen Deutschland.) | |
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Das war die Spezialausgabe unseres Was-jetzt?-Newsletters zur Fußball-EM 2024. Sie erscheint an allen Spieltagen zusätzlich zur Morgenausgabe. Keine Lust auf Fußball? Verabschieden Sie doch die wackere georgische Mannschaft aus dem Turnier, indem Sie die Kultur ihres Landes würdigen. Bis zum 20. Juli gibt es in Bonn eine kleine Ausstellung georgischer Kunst. Die Übersteiger von Chwitscha Kwarazchelia zeigen sie dort vermutlich nicht, aber verdient hätte er's. |
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