Natürlich will das keiner, weder die betroffenen Unternehmen, noch die Bürger und auch nicht die Entscheider. Solange es aber keine Impfung und keine Medikamente für eine wirksame Behandlung gibt und daher eine Corona-Ansteckung mit einem signifikant erhöhten Todesfallrisiko einhergeht, wird keine Normalität einkehren (können). Oder wie es der Virologe Hendrik Streeck formulierte: Wir werden mit dem Virus leben müssen und zwar dauerhaft. Um eine Maskenpflicht werden wir in den nächsten Monaten nicht herumkommen, aber sie ist wohl die kleinste Einschränkung. Das soziale Leben leidet, das Social Distancing führt für viele in die Isolation, nicht nur für Ältere. Nicht jeder kommt damit gleich gut klar, nicht jeder kann auf Restaurantbesuche, Shoppingtouren, Konzerte oder große Familienfeiern verzichten, ohne ins Stimmungstief abzugleiten. Je länger wir mit diesen Einschränkungen leben müssen, desto stärker gewöhnen wir uns an sie. Mit der Folge, dass sich unser Verhalten entsprechend dauerhaft verändert. Verhaltensforscher setzen hier einen Zeitraum von rund 66 Tagen an, danach haben wir neues Verhalten verinnerlicht, erlernt. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir ab diesem Zeitpunkt einen bewussten Entschluss benötigen, um wieder in unser vorheriges Verhaltensmuster zurückzukehren. Und dann stellt sich die Frage, ob man das will. Home Office und Social Distancing sorgen für Wachstumsschübe bei digitalen Angeboten, bei Videokonferenzsystemen, beim bargeldlosen Bezahlen und auch beim Online-Shopping. Hier werden bereits zuvor eingeschlagene Trends stark beschleunigt und führen mitunter dazu, dass junge, aufstrebende Unternehmen viel schneller in die schwarzen Zahlen geraten, als gedacht. Zumindest operativ schnuppern viele Unternehmen nun an der Profitabilität und damit verändert sich auch der Blick der Anleger auf sie. Wer glaubt, dass man nun alleine in den USA oder China fündig würde, blickt zu weit. Auch in Deutschland finden sich eine Reihe von Aspiranten und viele von ihnen stammen aus der unbeliebten Start-up-Schmiede Rocket Internet der Samwer-Brüder. Doch davon sollten sich Anleger nicht abschrecken und sich so die möglichen Chancen entgehen lassen. Zalando Der größte Erfolg der Samwers stellt wohl Zalando dar. Das Unternehmen ging bereits 2009 an die Börse und damit mitten in der schwersten Finanzkrise aller Zeiten. „Schrei vor Glück“ war eine extrem kostspielige, aber auch extrem erfolgreiche Werbe-Kampagne und machte das Unternehmen innerhalb kürzester Zeit bekannt. Heute ist Zalando Europas führende Online-Plattform für Mode und Lifestyle und liegt in den von ihr bedienten Segmenten vor Amazon oder der Otto Group. Zalando ist vielen Anlegern bekannt und nach den ersten, noch hoch defizitären Jahren konnte Zalando das Blatt wenden und schrieb endlich schwarze Zahlen. Doch die Onlinewelt bietet nur wenig Chancen, sich länger auf seinen Lorbeeren ausruhen zu können. Zu schnell und zu finanzkräftig kommt die Konkurrenz daher und kopiert gnadenlos erfolgreiche Geschäftsmodelle. Das bekam und bekommt auch Zalando zu spüren. Andererseits kopiert auch Zalando gnadenlos andere, vor allem bei Amazon schaut man sich vieles ab. Zunächst startete Zalando als Plattform für Schuhe. Später erweiterte man das Sortiment und schwenkte dann um und wollte mit billig produzierten Eigenmarken bessere Gewinnspannen erzielen. Womit man allerdings das Plattformgeschäft schwächt, weil man dort in direkte Konkurrenz zu seinen Händlerkunden tritt. Ein Zwiespalt, dem sich auch Amazon ausgesetzt sieht. So sehr, dass genau dieses Spannungsfeld Gegenstand der Senats-Untersuchungen und von Kartell-Verfahren in den USA und Europa ist. Dabei ist das Plattformgeschäft das eigentlich lukrativere Business, denn man verdient zwar geringere Margen, aber man kann den Skalierungseffekt gnadenlos auslutschen. Bedeutet, dass mehr Umsatz und mehr Händler-Angebote die Kosten für die Plattform, den Marktplatz, nicht in gleicher Weise mit ansteigen lassen. Ob ein Händler ein Produkt auf der Plattform anbietet oder 1.000 Händler eine Million Produkte macht keinen Unterschied. Die Plattform muss ohnehin reibungslos funktionieren und bereitstehen. Erst ab einer bestimmten Anzahl von anbietenden Händlern, Käufern, Angeboten muss die Plattform selbst immer mal wieder aufrüsten. Zusätzliches Personal für Support und Retouren, schnellere und größere Server usw. Daher setzt Amazon wieder mehr auf sein Plattform-Business und das wächst rasant. Zalandos großer Wettbewerber in Europa ist die britische ASOS. Und ASOS verstärkt vor allem sein Business mit Eigenmarken. Zalando folgt hingegen Amazon und erzielt ähnliche Erfolge. Und wie das große Vorbild baut Zalando eine Infrastruktur für „seine“ Händler auf: Logistik und Fulfillment. Das kostet erstmal viel Geld, verschlingt große Investitionen, zahlt sich aber langfristig richtig aus. Und Corona befeuert die Nachfrage natürlich zusätzlich, denn gerade Mode- und Schuhläden sind von den Schließungen betroffen, so dass sie entweder aufgeben oder sich nach alternativen Absatzkanälen umsehen müssen. Der Online-Handel bietet sich hier an. Doch ein eigener Online-Shop muss erstmal eingerichtet werden und man muss dann permanent hohen Werbeaufwand betreiben, damit die Leute zum Shoppen immer wieder auf die eigene Website zurückkehren. Oder man setzt auf Plattformen, wo die Menschen genau solche Produkte suchen, die ich anbiete. Und das ist bei Mode und Kosmetik vor allem Zalando. Es war daher nicht verwunderlich, dass Zalando seine Jahresprognosen anheben musste. Allerdings war die Anhebung Anfang November bereits die zweite in diesem Jahr, nach einem „außergewöhnlich starken und profitablen Wachstum im 3. Quartal“. Nachdem nun Corona wieder zum Brennpunkt wird, wird das Wachstum anhalten und auch ins nächste Jahr hineingetragen werden. Vor allem das Weihnachtsgeschäft, das traditionell die wichtigste Phase für den Einzelhandel ist, dürfte für den stationären Einzelhandel und die Ladenlokale zum Desaster werden. Denn wer will schon dicht gedrängt durch die Einkaufsmeilen und -tempel ziehen, wenn die Corona-Ansteckungen gerade ihren Höhepunkt erreichen und man sich selbst und seiner Familie auf diese Weise vielleicht das Weihnachtsfest versaut und vom heimischen Sofa auf die Intensiv-Station eines überfüllten Krankenhauses verlagert? Und dann sind wir wieder beim Gewöhnungseffekt. Wir gewöhnen uns daran, online einzukaufen und wenn wir das erstmal erfolgreich erledigt haben und mit dem Erlebnis und dem Ergebnis zufrieden sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir bei dieser Methode bleiben. Zalando profitiert davon, arbeitet aber auch daran, dass man weiter profitieren kann. Ein sehr großer Kostenblock ist der Versand und dabei natürlich die Retouren. Retouren-Zahlen von 50 Prozent sind leider keine Seltenheit und kosten kräftig Marge. Zalando scheint dies aber zunehmend in den Griff zu bekommen, denn die Ergebnisse steigen deutlich an und Zalando verweist dies bezüglich explizit auf die „anhaltend geringere Retouren-Quote“. Damit dieser Abwärtstrend bei den Warenrückgaben anhält oder sich gar noch beschleunigt, haben sich die Berliner mit einem weiteren Zukauf verstärkt. Man übernimmt das Züricher Software-Unternehmen Fision, einen Spezialisten für 3D-Body-Scans. In Zürich soll dazu ein Technologie-Standort mit bis zu 150 Arbeitsplätzen entstehen. Die virtuelle Umkleidekabine von Fision basiert auf einer Computer-Vision-Technologie und hilft Kunden dabei, Kleidungsstücke in der perfekten Größe und Passform zu finden. Zalando-Kunden können künftig in ihrem Kundenprofil ihre präzisen Körpermaße hinterlegen, um genaue Größenempfehlungen zu erhalten und somit letztlich nur Artikel zu kaufen, die auch wirklich passen. Die Marken-Anbieter hingegen verstehen besser, wie gut ihr Sortiment auf die Größe und Passform ihrer Zielgruppe zugeschnitten ist und können so ihre Produktion darauf ausrichten. Da falsche Farben und schlechter Sitz die häufigsten Retouren-Gründe sind, will Zalando das Einkaufserlebnis somit „passgenauer“ machen und so die Retouren weiter reduzieren. Mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Margen und Ergebnisse. Unterm Strich eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Zalando, den Kunden, den Händler sowie den Hersteller. Der MDAX-Wert hat einen Lauf und dürfte weiterhin auf der Gewinnerseite stehen. Zalando (ISIN: DE000ZAL1111) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | ZAL111 / ZAL | 21 Mrd. EUR | 116 / 99 / 73 | 82,46 EUR | Global Fashion Group Die Global Fashion Group ist in gewisser Weise ein Klon von Zalando. Sie ist nicht in Deutschland aktiv, sondern mit unterschiedlichen Marken in vier Märkten. 1. Zalora ist vor allem in Hongkong, Indonesien, Malaysia, Singapur, Taiwan und Brunei vertreten und die GFG hält jeweils 100 Prozent der Anteile an den jeweiligen Tochter-Unternehmen. Zusätzlich gibt es noch einen Zalora-Ableger auf den Philippinen, an dem die GFG jedoch nur 51 Prozent hält. 2. The Iconic wird ebenfalls dem Bereich Asian Pacific (APAC) zugeordnet, konzentriert sich aber auf Australien und Neuseeland. GFG-Anteil: 100 Prozent. 3. Dafiti ist der Ableger in Latein-Amerika (LATAM) mit Schwerpunkt in Brasilien, Argentinien, Chile und Kolumbien. 4. Lamoda ist im Commonwealth of Independent States-Raum (CIS) aktiv, vor allem in Russland, Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine. In sämtlichen Märkten treten die GFG-Töchter jeweils sowohl als Marktplatz als auch als Händler eigener Marken auf. Wie auch bei Amazon und Zalando wächst das Marktplatzgeschäft schneller und verursacht weniger Kosten und Risiko (dass man gegebenenfalls auf unverkäuflicher Ware sitzenbleibt). Die Global Fashion Group ist kleiner als Zalando, wächst jedoch schneller. Sie setzt auf „Emerging Markets“, wo sich das Online-Shopping leichter durchsetzt, weil es weniger etablierte Ladenlokale und Strukturen gibt. Nicht unwesentlicher Nachteil gegenüber Zalando ist allerdings, dass alle vier Töchter jeweils Währungsrisiken mit sich bringen, wenn ihre Zahlen am Ende in die in Euro gefasste Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung einfließen. Und die Währungsrisiken in Lateinamerika und Russland sind keinesfalls zu unterschätzen, wie sich jüngst zeigte. Denn das starke Wachstum in „lokaler Währung“ wurde weitgehend durch die Abwertungen der Landeswährungen gegenüber dem Euro aufgezehrt. Was zu auf den ersten Blick enttäuschenden Zahlen führte. Auf den zweiten Blick allerdings sieht man das starke Wachstum bei Umsätzen, Marktplatzvolumen und Kunden- sowie Händlerzahlen. Und da die jeweiligen Töchter ja nicht real ihr verdientes Geld nach Luxemburg in die GFG-Konzernzentrale überweisen, so dass die Währungsverluste realisiert würden, sondern das Geld vor Ort bleibt und wieder investiert und ausgegeben wird, sollte man das Währungsrisiko nicht überbewerten. Interessanter Gedanke ist bei der Aufstellung der GFG auch noch, dass man „einfach“ einzelne Tochtergesellschaften veräußern könnte, da sie ohnehin weitgehend autark agieren. Die GFG stellt daher eine aussichtsreiche global ausgerichtete Ergänzung zu Zalando dar und rückte kürzlich in den Nebenwerte-Index SDAX auf. Global Fashion Group (ISIN: LU2010095458) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | GpA 20e/21e/22e | Kurs | A2PLUG / GFG | 1,67 Mrd. EUR | -0,40 / -0,27 / -0,14 EUR | 82,46 EUR | home24 Ein anderes Segment bedient home24. Der klassische E-Commerce-Händler verkauft in Europa Möbel an Endverbraucher und ist unter „Mobly“ auch in Brasilien aktiv. Für diesen Teilmarkt gelten die gleichen Anmerkungen hinsichtlich der Währungsrisiken wie bei der GFG. home24 verkauft nicht nur Marken-Produkte, sondern betreibt auch ein „White-Label-Geschäft“, bei dem beliebte Produkte unter eigenen Marken-Namen selbst hergestellt werden. Dementsprechend sind die Deckungsbeiträge höher, allerdings auch das Absatz- und Retouren-Risiko. Der Anteil an „Private Label“-Produkten wird ständig weiter ausgebaut, um damit die Deckungsbeitragsmarge und damit die Profitabilität insgesamt zu erhöhen. Ganz offensichtlich sind Möbel wesentlich sperriger und schwerer als Bekleidung und daher stellen sie ganz andere Herausforderungen an die Plattform bzw. den Online-Händler. Sich mal eben verschiedene Sofalandschaften zwecks Begutachtung, Probeliegen und Farbcheck liefern zu lassen, kommt wohl kaum infrage. Und auch wenn sich der Kunde auf einen Esstisch eingelassen hat, stellt eine mögliche Retouren-Abwicklung durchaus eine Hemmschwelle dar. Nicht nur wegen der Kosten, denn sowas geht kaum als DHL-Päckchen für 3,50 Euro, sondern für Möbel-Transporte werden schnell 50 Euro fällig – für Anlieferung und auch für die Rücksendung. Da bestellt man nur, wenn man sich auch weitestgehend sicher ist, genau das richtige Produkt ausgewählt zu haben. home24 hat daher viel in das Einkaufserlebnis investiert und auch in seine Logistik. Mit großem Erfolg, der nicht nur, aber doch stark von Corona beflügelt wurde. Und so ist es home24 deutlich früher gelungen, die kritische Größe zu erreichen. Damit ist gemeint, dass ein Mindestumsatz und -umschlag erzielt werden muss, der die Infrastruktur bezahlt. Die IT, die Lagerhaltung usw. Sobald dieser Punkt überschritten ist, winkt die Profitabilität. Der Skalierungseffekt greift auch hier. Die Neukundengewinnung läuft vor allem über klassische Online-Anzeigen bei Google oder Facebook, aber auch über Marketing-Aktionen via Payback. Ergänzend natürlich über den Email-Newsletter für bestehende Kunden. Wenn man nun auf den Börsenkurs blickt, so hat dieser nach dem IPO stark gelitten, weil die Alt-Aktionäre ihre Aktien gnadenlos und zu beinahe jedem Kurs in den Markt gedrückt haben. Diese Phase ist vorbei und dank der viel besser laufenden Geschäfte hat sich seit dem Corona-Tief ein starker Aufwärtstrend etabliert. Blickt man über den großen Teich, zeigt die Bewertung von Wayfair, wohin die Reise gehen kann, wenn sich ein Unternehmen etabliert und der Markt das Potenzial so richtig erkennt. Und auch bei home24 könnte noch eine Prognoseerhöhung ins Haus stehen... home24 SE (ISIN: DE0005570808) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | GpA 20e/21e/22e | Kurs | A14KEB / H24 | 485 Mio. EUR | -0,73 / -0,41 / +0,03 EUR | 18,35 EUR | Westwing Group Die Westwing Group ist ähnlich unterwegs wie home24, nur dass sie anstelle von Möbeln mehr das Interieur im Fokus hat. Und Westwing ist sowohl ein Shopping-Club als auch – neuerdings – ein E-Commerce-Shop. Der Shopping-Club versorgt seine Mitglieder über E-Mails mit ständig neuen Angeboten und diese stehen dann für einen kurzen Zeitraum zum Kauf zur Verfügung. Anders als home24 läuft die Werbe-Strategie über „kurzlebiges“ Content-Marketing bei Pinterest oder Instagram und eignet sich so auch für Influencer-Kampagnen. Mit „Westwing Now“ etablierte man dann zusätzlich einen klassischen Online-Shop, so dass man inzwischen auch Kunden anspricht, die mit dem Club-Prinzip nicht warm werden. Des Weiteren führte man mit der „Westwing Collection“ eine Eigenmarke ein, mit der man höhere Margen erzielen kann. Nach einem durchwachsenen Start werden mittlerweile mehr als ein Viertel der Umsätze mit den Eigenmarken erzielt und der Anteil soll perspektivisch auf 50 Prozent anwachsen. Auch Westwing konnte dank Corona und überwundener Schwierigkeiten beim Aufbau neuer Lagerkapazitäten operativ ins Plus drehen und der Turnaround zeigt sich auch am deutlich gestiegenen Aktienkurs. Kürzlich konnte man die Jahresprognosen erhöhen und sorgte damit bei den Anlegern für noch mehr Freude. Nachdem auch Westwing die kritische Größe überschritten hat, stehen Wachstum und Profitabilität im Vordergrund und nicht mehr das Stopfen von Finanzlöchern wie noch kurz nach dem Börsengang Ende 2018. Ganz neue Perspektiven... Westwing Group (ISIN: DE000A2N4H07) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A2N4H0 / WEW | 604 Mio. EUR | 36 / 122 / 56 | 29,00 EUR | HelloFresh Der Kochbox-Versender HelloFresh wurde bisher eher belächelt und als Eintagsfliege wahrgenommen. Das Versenden von Kochboxen kam erst nicht richtig in Tritt, die Aussicht auf Gewinne rückte in immer weitere Ferne und der Kurs stürzte kräftig ab, als sich Groß-Aktionär Rocket Internet rigoros von seinen Anteilen trennte. Doch das ist Schnee von gestern. Denn Corona hat HelloFresh ungeheuer Auftrieb verschafft. Die Menschen müssen zuhause bleiben und auf Restaurant-Besuche verzichten. Essens-Lieferungen stehen daher hoch im Kurs. Pizzen und Fast Food sind allerdings nicht jedermanns Geschmack und da die Lust der Deutschen am Kochen ungebremst ist, kann sich hier HelloFresh mit seinen Kochboxen immer besser etablieren. Denn es erspart das lästige Einkaufen, das dank Corona noch weiniger Spaß macht, als ohnehin schon, und die Lebensmittel kommen frisch und abgewogen ins Haus. Des Weiteren kommen nicht die Lebensmittel ins Haus, sondern damit verbunden auch abwechslungsreiche Rezepte und Tipps rund ums Kochen. So nachvollziehbar die Euphorie ist, die den Kurs auf immer neue Allzeithochs treibt, sollte man doch die Risiken im Blick behalten. HelloFresh erzielt bisher keine Gewinne und der Ausbau des Geschäfts kostet viel Geld. Momentan speist sich der wachsende Cashflow am ungebremsten Nachfragezuwachs, aber wie nachhaltig dieses Kundenwachstum ist, muss sich erst noch zeigen. Der Kostenaufwand, um neue Kunden zu gewinnen ist enorm und HelloFresh verdient nur dann Geld mit ihnen, wenn sie dauerhaft als Kunde an Bord bleiben. Insofern spielt es HelloFresh in die Karten, wenn Restaurants nur unter erschwerten Bedingungen geöffnet sind und beim Einkaufen Maskenpflicht und Abstandsregelungen gelten. Je länger Neukunden HelloFresh ausprobieren und als Alternative dem bisher Bekannten vorziehen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückwechseln, wenn für Restaurants und Lebensmittel-Einzelhandel wieder normale Bedingungen gelten. Das Food Delivery-Business wächst mit rund 15% jährlich. HelloFresh bewegt sich in diesem Segment einer aussichtsreichen Nische, weil sein Angebot nicht direkt mit dem der klassischen Lieferplattformen konkurriert. Man ist nicht in der Zustellung aktiv, sondern versendet über DHL. Dabei sind die USA längst der wichtigste Markt für HelloFresh, noch vor dem Heimatmarkt Deutschland. Blue Apron als größten und bekanntesten Wettbewerber hat man längst überholt und deklassiert. Die Qualität der Lebensmittel und die „Frischhaltelieferkette“ sind nicht ohne Weiteres zu kopieren und müssen ständig auf dem besten Stand gehalten werden. Auch deshalb investiert HelloFresh weiterhin große Summen in seine Logistik und Infrastruktur. Dies ist durchaus ein etablierter Burggraben, der es potenziellen Wettbewerbern nicht so leicht macht, denn die Kochboxen haben nur eine sehr begrenzte Haltbarkeitsdauer, bevor sie aus den Kühlregalen entsorgt werden müssen. Daher sind selbst Lidl und andere schon am Kochbox-Konzept gescheitert. Und wie es fast schon zum guten Ton gehört, hat auch das MDAX-Unternehmen kürzlich die Jahresprognose nach oben geschraubt. Trotz der jüngsten Kursrallye bleibt daher auch HelloFresh würzig-feurig und auf dem gut sortierten Einkaufszettel. HelloFresh (ISIN: DE000A161408) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A16140 / HFG | 8,15 Mrd. EUR | 32 / 35 / 28 | 46,90 EUR | Mein Fazit: Nicht auf den Gewinn sollte man achten bei Wachstumswerten, sondern vor allem auf den Cashflow. Alle 5 Werte präsentieren sich inzwischen mit positivem operativem Cashflow und teilweise sogar bereits mit positivem operativem Ergebnis. Damit verbrennen sie kein Geld mehr, so dass das Risiko, dass hier Kapital nachgeschossen werden muss, gering ist. Sollte Kapital erhöht werden, dann aus einer Position der Stärke heraus, um gegebenenfalls extern zukaufen zu können oder das Wachstum zu beschleunigen. Aber nicht (mehr) zum Stopfen finanzieller Löcher. Und die Bewertung gegenüber internationalen Wettbewerbern, vor allem US-Werten, ist nach wie vor vergleichsweise niedrig. Weder die ausländischen Investoren noch die deutschen Anleger trauen den deutschen Wettbewerbern der US-Firmen genug zu. Aber das wird sich mit der Zeit ändern, denn die nachhaltigen Erfolge bleiben nicht ewig unbemerkt und mit der Aufnahme in die deutschen Auswahl-Indizes MDAX und SDAX bekommen die Werte mehr Aufmerksamkeit. Hier können sich Marktführer entwickeln, nationale Champions, aber perspektivisch auch internationale Schwergewichte. Das kommt auf den betrachteten Zeithorizont an und hängt entscheidend davon ab, ob die Unternehmen innovativ und wachstumsfreudig bleiben, um in der sich schnell verändernden Welt Spitzenpositionen einnehmen und gegebenenfalls verteidigen zu können. Wer sich alle 5 Werte ins Depot legt, investiert in einen breiten Strauß an digitalen Potenzialwerten und dürfte dabei auf mittlere und lange Sicht wohl mehr als einen Überperformer erwischen. Wobei Zalando den anderen hier schon einige Jahre voraus ist in der Entwicklung. Aber das ist ja kaum ein Nachteil... Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs iNTELLiGENT iNVESTiEREN. Autorenprofil Michael C. Kissig studierte nach Abschluss seiner Bankausbildung Volks- und Rechtswissenschaften und ist heute als Unternehmensberater und Investor tätig. Neben seinem Value-Investing-Blog „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“ verfasst er regelmäßig eine Kolumne für das „Aktien Magazin“. | | Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Global Fashion Group, HelloFresh, home24, Westwing & Zalando. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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