Liebe Leserinnen, liebe Leser, erinnern wir uns kurz an den Jahresstart. Wir gingen mit der Erwartung in das junge Jahr, dass die Inflation ihren Schrecken verliert und dass die US-Notenbank im 1. Quartal mit der Zinswende beginnt und uns in 2024 bis zu 6 Zinsschritte erwarten. Dementsprechend fulminant gaben die Börsen anfangs Gas, doch bekanntlich kam alles ganz anders. Nur die Börsen, die markieren ein Dreivierteljahr später wirklich neue Allzeithochs. Doch die Inflation ist geblieben, sie ist hartnäckig, allerdings vergleichsweise handzahm. Wie die heutigen Varianten des Corona-Virus, die ebenfalls ihren tödlichen Schrecken weitgehend verloren haben. Und in der Folge wurden die Hoffnungen auf Zinssenkungen durch die FED ein ums andere Mal enttäuscht und die Anleger mussten sich in Geduld üben. Nicht gerade unsere Stärke, oder? Man könnte meinen, alles sei nur um ein paar Monate verschoben und nun setze die erwartete Entwicklung mit Verspätung ein. Doch so einfach wird das nicht... 9 Monate erhöhter Preise und Zinsen haben zu enormen Belastungen geführt. Viele Unternehmen spüren die Kaufzurückhaltung ihrer Kunden, Käufer weichen von Markenprodukten auf Billigmarken aus, die Menschen essen seltener auswärts und verzichten auf Restaurant- und Festival-Besuche. Und sie ächzen unter den hohen Kreditkartenschulden, den hochschnellenden Immobilien-Kreditzinsen, wenn die Zinsbindung ausläuft, steigenden Mieten. Und genau dieser Immobilien-Sektor ist noch immer krisengeplagt, von welcher Seite man es auch betrachtet. Zwar hat Amazon gerade das Ende von Work-from-Home ausgerufen und will seine Mitarbeiter wieder im Büro Präsenz zeigen sehen, aber insgesamt erfreut sich Home Office anhaltend hoher Beliebtheit. Und so sinkt der Bürobedarf weiter und die Leerstandquoten steigen. Das reduziert die Mieteinnahmen der Eigentümer, während gleichzeitig ihre Abschreibungen fast so stark steigen wie ihre Zinsbelastung. Eine toxische Mischung, weshalb Büro-Immobilien auch der wankende und am wenigsten attraktive Immobilien-Sektor bleiben. Und der Bestimmende was die Schlagzeilen angeht. Doch das verzerrt die Wahrnehmung. Beim Blick in andere Bereiche, in Lager- und Logistik-Immobilien, Rechenzentren oder Wohn-Immobilien zeigt sich ein anderes Bild. Hier steigt die Nachfrage weiter an und dementsprechend sind fallende Preise nicht unbedingt zu finden. Zumindest hinsichtlich der Ertragswerte der Immobilien, bei den Verkaufspreisen steht der Sektor insgesamt unter Druck. Und erhöhte Abschreibungen und Zinskosten bringen so manchen Notverkauf mit sich, was die Preise zusätzlich drückt. Auch deshalb kaufen sich die in Geld schwimmenden Finanz-Investoren, wie KKR, Blackstone oder Brookfield zuletzt verstärkt im Immobilienbereich ein und übernehmen nicht nur Portfolien sondern gerne auch gleich ganze REITs. Wenn die cleversten Finanz-Magnaten unseres Planeten hier Chancen wittern, lohnt sich vielleicht ein eigener Blick hinter die Kulissen. VONOVIA Vonovia ist eines der größten Wohnungs-Unternehmen Europas und Marktführer in Deutschland. Das Unternehmen steht vor einer Reihe von Herausforderungen, die sowohl die finanzielle Stabilität als auch die operative Effizienz betreffen. In Deutschland ist der Immobilien-Markt stark staatlich reguliert, es gibt Mietobergrenzen, verpflichtende Energieeffizienz-Maßnahmen, staatliche Vorkaufsrechte. Zudem befindet sich die Neubautätigkeit im freien Fall. Destatis, das Statistische Bundesamt, meldete für den Juli 2024 rund 17.000 Wohnungs-Genehmigungen. Das waren 19,2% bzw. 4.000 Baugenehmigungen weniger als im Juli 2023 und im Vergleich zum Juli 2022 sank die Zahl der Genehmigungen sogar um 44,6% oder 13.700 Wohnungen. Im Zeitraum von Januar bis Juli 2024 wurden 123.600 Wohnungen genehmigt. Das waren 20,8% oder 32.500 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. In diesen Ergebnissen sind sowohl Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Wohn- und Nichtwohngebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten. Diese alarmierenden Zahlen führen nicht nur zu immer mehr Unternehmenspleiten bei Bauträgern und Baufirmen, sondern sorgen auch dafür, dass die Menschen in ihren bisherigen Wohnungen wohnen bleiben (müssen). Da jedes Jahr Wohnungen wegfallen aufgrund von Alter und schlechtem Zustand, erhöht sich der Mietdruck. Zudem hat Deutschland in den letzten Jahren mehrere Millionen Flüchtlinge aufgenommen, die ebenfalls alle irgendwo untergebracht werden müssen. Und das überwiegend im normalen Wohnungsmarkt. Mieten nehmen einen immer höheren Teil der monatlichen Ausgaben der Menschen ein, was ihnen dann Kaufkraft nimmt. Bei Vermietern sorgen die steigenden Mieten allerdings für Freude – auch wenn die Mieten wegen der staatlichen Kappungsgrenzen nicht so stark steigen, wie sie es bei einem freien Markt tun würden. Vonovias Zahlenwerk Im 1. Quartal 2024 verzeichnete Vonovia planmäßige Abschreibungen in Höhe von 27,8 Mio. Euro, was einem Anstieg von 3% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Der Funds from Operations (FFO) spiegelt die operative Leistungsfähigkeit ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und anderen nicht zahlungswirksamen Aufwendungen wider. Für das Geschäftsjahr 2023 meldete Vonovia einen Rückgang des Group FFO auf 1,84 Mrd. Euro, was hauptsächlich auf die gestiegenen Zinsen zurückzuführen war. Pro Aktie betrug der Group FFO 2,27 Euro. Trotz dieser Herausforderungen konnte Vonovia die Prognosen für 2023 hinsichtlich aller wesentlichen Kennzahlen einhalten. Im Segment Rental stiegen die Mieteinnahmen im 1. Quartal 2024 um 2,2% im Vorjahresvergleich auf 824,2 Mio. Euro. Die Leerstandsquote blieb mit 2,0% auf einem sehr niedrigen Niveau. Vonovia investiert verstärkt in die Substanz, allerdings findet man oft keine Bauunternehmer, was die Maßnahmen dann verzögert. Des Weiteren strukturiert Vonovia um. So wurde der Verkauf der Geschäftsaktivitäten im Pflegesegment initiiert, um sich stärker auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Und dann forciert man nun den Squeeze-out bei der Tochter Deutsche Wohnen, also das Herausdrängen der verbliebenen Minderheits-Aktionäre. Im ersten Schritt wurde der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verkündet. Dabei sollen außenstehende Aktionäre der Deutsche Wohnen ihre Aktien gegen neu auszugebende Vonovia-Aktien tauschen können. Der finale Beschluss des Schrittes soll auf außerordentlichen Hauptversammlungen beider Unternehmen im Dezember 2024 besiegelt werden. Das dürfte Formsache sein. |