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5 nach 12 - Was ist heute wichtig? Das Mittags-Update von WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der DAX wird vom Coronavirus schwer gebeutelt. Seit Handelsstart fiel der Kurs heute um 4,5 Prozent auf unter 11.800 Punkte. Vor eineinhalb Wochen hatte sich der Leitindex noch auf ein Rekordniveau von knapp 13.800 Punkten geschraubt. Genau darin sehen unsere Finanz-Fachmänner Daniel Eckert und Holger Zschäpitz das besondere Merkmal des Absturzes: „das abrupte Umschlagen der Stimmung“. 
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Dieser schnellste Stimmungsumschwung aller Zeiten ist bei weitem nicht nur auf Deutschland beschränkt. Auch der amerikanische Dow Jones büßte deutlich mehr als zehn Prozent seines Wertes ein und befindet sich damit in einer sogenannten Korrekturphase. Die Geschwindigkeit hat die meisten Sparer und Investoren kalt erwischt. Über Wochen galt das Coronavirus als lokales Ereignis, das höchstens zu einem kurzzeitigen Einbruch führe. Jetzt zeigt sich: Die globale Konjunktur dürfte durch das Virus weit härter und länger getroffen werden als erwartet. Gewinnwarnungen und CEO-Rücktritte überschlagen sich fast. Die Anleger suchen nach sicheren Häfen. Diese schwinden allerdings oder sind wie bei deutschen Staatsanleihen minusverzinst.

Was noch wichtig ist

Ausbreitung in Deutschland: Die Corona-Welle beginnt hierzulande zu rollen – nordwärts, zudem in eine Großstadt: Hamburg. In Schleswig-Holstein wohnhaft war der nun infizierte Hamburger Kinderarzt jüngst aus dem Italienurlaub zurückgekehrt. Alle Kinder und Eltern, die engen Kontakt mit dem Mediziner hatten, müssen 14 Tage in Quarantäne. Ein erster Fall wurde zudem aus Hessen bestätigt. Zuvor waren bereits Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz betroffen. Insgesamt gab es seit gestern 27 Neuinfizierte in Deutschland, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) am Vormittag mit. Die meisten durften in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren, haben aber Ausgehverbot. Damit hat sich die Zahl innerhalb eines Tages mehr als verdreifacht. Am schlimmsten sieht es in NRW aus: Hier kämpfen 20 Erkrankte gegen das Virus, geschätzt 1000 befinden sich in Quarantäne. Trotzdem sei das Risiko in Deutschland weiter "gering bis mäßig", sagt das RKI. Im Laufe des Tages will zudem der Krisenstab der Bundesregierung eine Empfehlung abgeben, ob Messen wie die Internationale Tourismusbörse ITB abgesagt werden sollten. Das wäre ein weiterer Rückschlag für den Fremdenverkehr, wie Tourismus-Redakteur Daniel Wetzel schreibt. Alle Informationen rund um die Pandemie finden Sie ständig aktualisiert in unserem Liveticker.
 
Infektions- und Lieferketten: Bislang behindert das Coronavirus die Geschäfte der deutschen Autobauer offenbar nicht, doch das wird noch kommen, schreibt Autoreporter Olaf Preuß. Die deutsche Automobilindustrie erhält aus China verschiedene „kritische“ Teile – etwa Leiterplatten für die Autoelektronik. Manche Elektronikbauteile werden fast ausschließlich in China hergestellt. Von Volkswagen und Daimler heißt es, ihre chinesischen Fabriken hätten die Arbeit wieder aufgenommen. Auch sei der Bestand an wichtigen Teilen groß. BMW sieht keine Beeinträchtigung der Lieferketten. Dennoch: Die Krise wird zeitverzögert eintreffen. Sechs Wochen brauchen die Containerschiffe von der chinesischen Ostküste. Noch werden Schiffe in deutschen Häfen gelöscht, die vor der Corona-Krise losfuhren. Deshalb sind die Lager auch gewöhnlich voll. Echte Mangelerscheinungen könnten aber bereits im März auftreten. Experten schätzen, dass dies binnen Wochen einige europäische Hersteller lahmlegen könnte. Auswege wären dann Zulieferer aus anderen Ländern oder Schnelllieferungen per Flugzeug. Ein echter Rückschlag für die Autoindustrie war übrigens die Absage des Genfer Autosalons heute Mittag.

Syrien-Konflikt: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan stellt offenbar die Rechnung für Europas Politik der Schwäche, nachdem bei einem syrischen Luftangriff in der nordsyrischen Region Idlib mindestens 33 türkische Soldaten getötet worden sind. Ähnliche Vorfälle zwischen türkischen und den von Russland unterstützten syrischen Truppen gab es zuletzt mehrfach. 

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Reuters meldete nach dem Angriff, dass Ankara den zu erwartenden Flüchtlingsstrom – aus Syrien, durch die Türkei, nach Europa – nicht aufhalten wolle. Dies habe ein „hochrangiger Verantwortlicher“ erklärt. Ein AKP-Sprecher bestätigte dies später indirekt im Fernsehen. Womöglich wolle die Türkei die Furcht der Europäer vor einer neuen Massenflucht als Druckmittel nutzen, um den Westen, also die Nato, zu einem politischen Eingreifen in der Idlib-Krise zu bewegen, schreibt unser Korrespondent Deniz Yücel. Knapp eine Million Menschen aus Nordsyrien sind auf der Flucht, die Türkei hat bereits 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Eine Konfrontation mit Russland wollen die Türkei und der Westen gleichermaßen vermeiden.


Ihr



Ulf Poschardt


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