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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 16.03.2020 | Mal sonnig, mal bewölkt bei bis zu 15°C. | ||
+ Wer jetzt Hilfe braucht und Unterstützung verdient + Flugverkehr massiv zurückgegangen, Bahnverkehr ausgedünnt + Berlins Hochschulen schränken Betrieb ein – nur eine nicht + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, knirschend kommt das öffentliche Leben zum Stehen wie ein Rennauto im Kiesbett. Nach anfänglichem Zögern hat der Senat in der Nacht zum Sonnabend doch noch die Kurve bekommen und einschneidende Maßnahmen verfügt – hier ein Überblick: + Clubs und Kneipen bleiben zu. + Öffentliche und private Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen sind verboten. + Alle öffentlichen und privaten Sportanlagen sind geschlossen. + Museen und Bibliotheken haben ihren Betrieb eingestellt. + Für Krankenhäuser und Heime gilt ein Besuchsverbot mit wenigen Ausnahmen. + Restaurants dürfen unter Abstands-Auflagen geöffnet bleiben. + Oberstufenzentren und Berufsschulen sind von heute an dicht. + Alle weiteren Schulen und Kitas schließen morgen. Noch am Freitag hatte der Senat gemeint, den Beginn des weitgehenden „Shutdown“ erst bei seiner nächsten regulären Sitzung am morgigen Dienstag rechtssicher in Kraft setzen zu können. Doch die Leiter der Gesundheitsämter und Stadträte aus Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg befürchteten gravierende Folgen eines letzten Party-Wochenendes und drängten auf sofortiges Handeln. So kam es, und auch der Virologe Christian Drosten stellte nach dem Hin und Her der vergangenen Tage schließlich fest: „Berlin hat nun wirklich gezeigt, wie man es macht. Meine Hochachtung vor so viel Handlungswillen und Engagement!“ Welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt die richtigen sind, wird auch unter Wissenschaftlern weiter kontrovers diskutiert – Einsichten sind dabei oft Momentaufnahmen, die je nach Verlauf korrigiert werden. Selbst Drosten, dem in der Krise die Rolle eines Weisen zugewachsen ist, stellt mitunter fest: „Habe zu kurz gedacht“. Solange nicht alle Geheimnisse von Sars-CoV-2 entschlüsselt sind, werden wir damit leben müssen – und können. Jetzt geht es nicht um Aufarbeitung für Lernprozesse, sondern darum, die Gegenwart zu bewältigen nach Regeln, für die es kein Muster gibt. Das stellt uns alle vor enorme Herausforderungen. Diejenigen, die dabei helfen, die Virus-Verbreitung zu verlangsamen und das öffentliche Leben soweit wie möglich aufrecht zu erhalten, brauchen und verdienen jetzt Unterstützung. Dazu gehören alle, deren Berufe und Aufgaben der Senat im Zusammenhang mit der Notbetreuung für Kinder als systemrelevant deklariert hat – die Liste finden Sie hier. Dazu gehören die heimlichen Heldinnen und Helden an den Kassen der Supermärkte, die wegen der vielen direkten Kontakte ungeschützt einem hohen Risiko ausgesetzt sind – und ohne die längst die Versorgung zusammengebrochen wäre. Und dazu gehören auch die vielen, die jetzt ehrenamtlich ohne große Worte anderen helfen. Wie schwer das zuweilen unter völlig neuen Umständen ist, zeigt das Beispiel von Aline von Drateln – sieschrieb am Freitag bei Twitter: „Ohne Publikum habe ich als Moderatorin keine Arbeit. Ich biete ab Mittwoch ehrenamtlich Kinderbetreuung an für Betroffene der Schulschließungen in Prenzlauer Berg/Mitte. Habe selbst 2 Kinder (8 & 13). Gerne DM. Eltern in Pflegeberufen bevorzugt.“ Die Resonanz war enorm (mehr als 1100 Retweets, 6500 „Gefällt mir“-Angaben), manche Reaktion aber auch erschütternd. Ich habe Aline gebeten, ihre Erfahrungen aufzuschreiben, den Text finden Sie hier – ihr Fazit: „Die Krankheit hatte einfach keine Zeit, sich auf die Medien einzustellen. In Virus veritas?“ | |||||
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Corona verändert die Welt, wie wir sie kennen – und konfrontiert uns mit scheinbaren Widersprüchen. Ärzte, Wissenschaftler und die Politik fordern uns auf, „soziale Kontakte weitgehend einzustellen“ (Merkel). Galt nicht eben noch das Gegenteil? Die Aufgabe klingt verrückt: Wir sollen Gemeinschaftssinn durch Vereinsamung zeigen – Gesundheit und Überleben von Freunden, Familie und Fremden sichern, indem wir auf Abstand gehen. Dabei brauchen gerade jetzt viele Menschen Hilfe: Kranke und Kontaktpersonen, die zuhause unter Quarantäne stehen – je mehr es werden, desto schwieriger ist deren Versorgung. Und wer auch sonst schon auf das Engagement anderer angewiesen ist, spürt Corona mittelbar – so schließen zum Beispiel immer mehr „Tafeln“. Die Stadtgesellschaft ist auf beispiellose Weise herausgefordert – und muss schnell neue Wege zu ehrenamtlichem und bürgerschaftlichem Engagement finden. Hilfe brauchen auch Selbstständige, Honorarkräfte, Gastonomen und Kulturveranstalter – der Senat hat schon mal angekündigt, den Hilfsfonds für die Berliner Wirtschaft aufzustocken und die Vorsteuer zu stunden. Doch das wird nicht reichen, die Einnahmeausfälle dürften schon bald gigantisch sein. Auch hier braucht es neue Ideen. Wie wäre es zum Beispiel damit, digitale Auftritte von Künstlern (Vorbild: die tollen Twitter-Hauskonzerte von Igor Levit) mit Spenden zu fördern? | |||||
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Die bisherigen Maßnahmen offenbaren eine weitere Tücke von Sars-CoV-2: Je erfolgreicher der Kampf gegen die Krankheit ist, desto länger wird er dauern. Stoppen lässt sich Corona nicht mehr. Das Ziel ist es, die Kurve flach zu halten, also die Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten unter der Kapazitätsgrenze der Intensivmedizin zu halten – Betten und Beatmungsgeräte sind nicht unbegrenzt verfügbar. Die Virusverbreitung zu verlangsamen, bedeutet deshalb auch, sie zu verlängern. Welche Folgen das für das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben hat, lässt sich nur ahnen. Für Berlin bedeutet das: Die bisherigen Befristungen markieren nicht das Ende der Einschränkungen, im Gegenteil: Es wird weitere geben. So sieht Xhain-Stadtrat Florian Schmidt, der auf eine schnelle Schließung von Clubs und Kneipen drängte, noch weitaus drastischere Maßnahmen voraus – in einem Tweet schreibt er: „China: Permanente Temperatur-Messungen und Adhoc-Isolation statt Familien-Quarantäne mit Ansteckungsgefahr. Nach Versammlungen aller Art zu untersagen und an Vernunft zu appellieren, müssen wir schnell da hin, inklusive Adhoc-Quarantäne-Räumen dezentral in der Stadt. Oder?“ Lebensgefährlich ist das Virus vor allem für Patienten mit Vorerkrankungen und ältere Menschen – die Publizistin und frühere „Piraten“-Politikerin Marina Weisband weist darauf in einem Tweet noch einmal nachdrücklich hin: „Freundin (Krankenschwester auf Intensiv) bereitet sich darauf vor, an die Front zu gehen. Ich frage: ‚Was können wir für dich tun?‘ Sie antwortet: ‚Haltet die Kurve flach. Sprecht mit euren Eltern und Großeltern. Die sollen sich isolieren. Die sind störrisch.‘“ | |||||
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In Krisenzeiten schlägt die Stunde der Scharlatane und Verschwörungstheoretiker – die sozialen Netzwerke sind voll davon. Ihre Gerüchte wirken wie ein ansteckender Virus, dessen Ursprung unergründlich ist: Sie machen Angst oder verführen zu Leichtsinn – und sie sind die besten Freunde von Corona. Das gesündeste in krankmachenden Zeiten ist deshalb der Zweifel an trüben Quellen. Im Tagesspiegel recherchieren täglich Dutzende Kolleginnen und Kollegen aus allen Ressorts nach verlässlichen Informationen in der Corona-Krise und ordnen sie für Sie ein. Alle News und Eilmeldungen sowie den Tagesspiegel als digitale Zeitung können Sie in unserer Nachrichten-App auf Ihrem Smartphone oder Tablet lesen. Die App gibt es gratis: + für iOS im Apple App Store + für Android im Google Play Store Auf unserer Website informieren wir Sie über die Entwicklungen mit zwei Live-Blogs: + Alle wichtigen Meldungen aus Berlin + Alle wichtigen Meldungen aus Deutschland und der Welt Unser Artikel „Coronavirus in Berlin – das müssen Sie wissen, hier bekommen Sie Hilfe“ ist jetzt auch in mehreren Übersetzungen verfügbar (Idee und Produktion: Julius Betschka und Sophie Krause): + Englisch (Übersetzung Jakob Schlandt) + Arabisch (Übersetzung Muhamed Abdi) + Türkisch (Übersetzung Atila Altun) Und auch im Checkpoint informieren wir Sie hier jeden Morgen kompakt über alles, was Sie wissen sollten (zur Anmeldung für die Vollversion geht’s hier). | |||||
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