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Essensspenden in Italien: Das Land wünscht sich Solidarität von der EU. Foto: dpa
Guten Tag,

braucht die EU jetzt Corona-Bonds? Die Frage ist falsch gestellt. Also: Brauchen Italien, Spanien und andere von der Pandemie besonders hart getroffene Länder nun eine von allen Eurozonen-Mitgliedern gemeinsam ausgegebene Anleihe, um irgendwann wieder auf die Beine zu kommen?

Die Debatte darüber in den vergangenen zwei Wochen war faszinierend. Sie wirkt wie eine Kopie der Diskussion während der Euro-Krise. Inhaltlich wurden exakt dieselben Argumente ausgetauscht. Die einen sagen: Wir brauchen das, weil wir in Not sind. Wir sind gemeinsam in dieser Währungsunion, alle profitieren davon, also müssen wir einander auch beistehen. Die anderen sagen: Wir helfen gern, aber nicht indem wir für eure Verbindlichkeiten haften. Das wäre der Einstieg in eine Transferunion, die die Verträge verbieten. Und warum tragt ihr nicht endlich mal euren Schuldenberg ab?

Der Unterschied zu 2012 ist natürlich, dass die Not diesmal eine größere ist beziehungsweise sein wird (denn noch ist sie, rein finanziell gesehen, nicht da). Das hat den Appell des Südens moralisch noch stärker aufgeladen. Umso hartherziger wirkte daher die Position der niederländischen Regierung, deren Finanzminister Hoekstra allen Ernstes eine Untersuchung einforderte, warum die üblichen Verdächtigen ihren Laden nicht rechtzeitig in Ordnung gebracht hätten. Man kann diese Frage stellen, aber vielleicht nicht in Anwesenheit der Weltpresse an einem Tag, als Italien nicht mehr wusste, wie Hunderte Särge voll Corona-Toten aus den Krankenhäusern transportiert werden sollten.

Diese Taktlosigkeit brachte sogar den eher bedächtigen portugiesischen Premierminister Antonio Cósta auf die Palme ("abstoßend und sinnlos"). Und weil sich sein Kollege Mark Rutte auch noch weigert, einen Cent mehr als bisher in den künftigen EU-Haushalt einzuzahlen, sind die Niederlande kurzerhand zum Schurkenstaat der Euro-Zone avanciert. Was ungerecht ist, weil man in Berlin exakt genauso denkt, das Nein aber ein bisschen charmanter zu verpacken weiß, um nicht schon wieder Hakenkreuze auf südländischen Zeitungstiteln zu provozieren. (El Pais zitierte Angela Merkel auf dem jüngsten EU-Gipfel mit den Worten: "Wenn ihr auf Corona-Bonds wartet – die werden niemals kommen.") Wen es anzusprechen gilt, zeigten mehrere italienische Bürgermeister und Ex-Politiker, als sie einen flammenden Appell, der sich vor allem an die Niederlande richtete, in einer deutschen Tageszeitung veröffentlichten.

Das könnte man für ein gelungenes Beispiel europäischer Öffentlichkeit halten, wenn nicht schon wieder alles so traurig wäre. Immerhin hat der Appell gefruchtet, also ein kleines bisschen. Hoekstra und Rutte haben zugegeben, dass sie netter hätten sein können. Und sie haben einen Hilfsfonds angeregt, in den ihr Land eine Milliarde Euro einzahlen wolle – als "Geschenk". In Sachen Corona-Bonds bleiben sie selbstverständlich hart, so hart wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Man wird sehen, wie viele Auseinandersetzungen dieser Art die unglückselige Europäische Währungsunion noch überstehen kann.

Mit besten Grüßen
Thomas Kirchner, Politikredakteur
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