selten in der Geschichte kann man Anfang oder Ende eines Zeitalters mit einem konkreten Datum versehen. Meist reift eine neue Epoche langsam heran oder verabschiedet sich in einer zähen Phase des Siechtums. Die westliche liberale Ordnung etwa entstand in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre Schritt für Schritt. Sie gründete auf individueller Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Marktwirtschaft und Freihandel, auf Institutionen wie der Uno, dem IWF, der Weltbank und der Nato. Der Todeszeitpunkt dieser Ära lässt sich, und das ist historisch außergewöhnlich, präzise bestimmen, findet Stephan Bierling, Autor der Titelgeschichte unserer April-Ausgabe: Es war am späten Vormittag des 28. Februar 2025, als Donald Trump seinen ukrainischen Amtskollegen und bisherigen Verbündeten Wolodymyr Selenskyj nach einem heftigen Streit vor laufenden Kameras aus dem Weißen Haus schmiss. Die Europäer waren und sind darauf allerdings nicht vorbereitet – und suchen jetzt verzweifelt nach neuen Wegen. Welche das sind und warum, lesen Sie hier. Das Ende einer Ära wird auch in der Türkei befürchtet – und bei Menschen, die türkische Wurzeln haben, aber im Ausland leben. Nachdem Ekrem Imamoglu, der beim türkischen Volk beliebte Oberbürgermeister von Istanbul, festgenommen wurde, reden seine Anhänger von einem „Putsch“ – und nicht wenige Türken fürchten jetzt einen Umbau der einst laizistischen Republik in eine Monarchie. Ilgin Seren Evisen präsentiert hierzu vier Stimmen aus Deutschland. Veränderung ist als Begriff kein rein analogischer mehr, sondern längst auch ein digitaler. Künstliche Intelligenz ist das beste Beispiel dafür. Bald wird KI alle Aspekte des politischen Lebens beeinflussen. Die Bemühungen der Regierungen, in diesem aufstrebenden geostrategischen Umfeld die Führung zu übernehmen, gehen weit über reine Investitionen hinaus, analysiert Ronan Wordsworth. Am Dienstag wurde das Grundgesetz verändert. Doch woher kommt eigentlich die nun mit Verfassungsrang ausgestattete Idee, die Bundesrepublik müsse bis 2045 klimaneutral werden? Aus einem einflussreichen Netzwerk machtbewusster Grüner, die seit Jahrzehnten die deutsche Energiepolitik prägen, weiß mein Kollege Daniel Gräber. Er schreibt über die „unheimliche Macht der Energiewende-Aristokratie“. Eigentlich brauchen Veränderungen, wenn aus ihnen im besten Sinne Fortschritt entstehen soll, positive Erzählungen. Doch die künftig Regierenden reden dramatisierend von der angeblich letzten Chance der Demokratie, während ihr leichtfertiges Handeln allerdings nicht dazu passt. Die Enttäuschung dürfte umso gewaltiger werden. Deutschland geht sehr unruhigen Zeiten entgegen, schreibt mein Kollege Ferdinand Knauß. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Leitung Cicero Digital |