Newsletter 11/2024
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nichts ist so gewiss wie die Ungewissheit. Wenige Stunden vor dem Schließen der Wahllokale ist das Rennen um die US-Präsidentschaft völlig offen. Das hängt nicht zuletzt mit dem amerikanischen Wahlsystem zusammen. In jüngsten Umfragen lag zwar die demokratische Kandidaten Kamala Harris landesweit stets stabil ein paar Prozentpunkte vor dem Republikaner Donald Trump. Doch das besagt in den USA gar nichts.

Entscheidend ist nicht die absolute Zahl der Stimmen, sondern wie viele Wahlmänner ein Bewerber auf sich vereinen kann. Da die Mehrheitsverhältnisse in den meisten US-Staaten klar sind, kommt es auf wenige so genannte Swing States an, die in der Vergangenheit durch wechselnde Mehrheiten aufgefallen sind – insgesamt sieben an der Zahl. Wer dort die Nase vorn hat, wird ins Weiße Haus einziehen. Wahlbeobachter sind sich einig, dass der Ausgang in Pennsylvania den Ausschlag geben wird. Dort wird es wohl nur um wenige tausend, wenn nicht hundert Stimmen gehen.

Es kann aber auch ganz anders kommen. Wahlumfragen in den USA erinnerten zuletzt an Lotteriespiele. So hatte 2016 kein einziges Institut die Wahl von Trump vorhergesagt. Bei den vergangenen Wahlen zum Kongress prognostizierten die Auguren für die Republikaner einen haushohen Sieg. Es kam bekanntlich anders.

So ist nicht ausgeschlossen, dass wir uns alle im Verlauf des Mittwochs verwundert die Augen reiben werden, wenn einer der beiden Kandidaten mit Blick auf die Mehrheit im Wahlmänner-Gremium einen Erdrutschsieg davonträgt, weil er oder sie hauchzart in fast allen Swing States die Mehrheit errungen hat. Und da kann der Gewinner oder die Gewinnerin sowohl Kamala Harris als auch Donald Trump heißen. Es bleibt also eine denkbar knappe Wahl.

Ihr
Dr. Jörg Köpke
Spannend bis zum Schluss: Wer wird das Rennen machen? Kamala Harris oder Donald Trump?
 
AktuelleEU-Vorhaben im Fokus des cep
Technologie | Infrastruktur
Biotechnologien: European Biotechnology Act

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihren sogenannten Missionsbriefen an die designierten Kommissare eine neue EU-Regulierung für das Segment der Biotechnologie angekündigt. Über die Substitution endlicher Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe verbessert die biobasierte Industrieproduktion nicht nur die Treibhausgasbilanz industrieller Lieferketten. Sie trägt auch dazu bei, die Abhängigkeit von der externen Versorgung mit fossilen Brennstoffen zu verringern und schafft durch die Nutzung von biogenen Abfällen und Reststoffen zusätzliche Optionen zur Erhöhung der Ressourceneffizienz. Gleichzeitig sieht sich das biobasierte Segment der europäischen Industrie mit zahlreichen Wachstumshindernissen konfrontiert. Aufgrund der langen Entwicklungsphasen und der hohen Wissensintensität der Produktion sind der zunehmende Mangel an spezialisierten Fachkräften und die geringe Liquidität der Risikokapitalmärkte in der EU besonders starke Barrieren für neue biobasierte Lösungen. Darüber hinaus sind einige biobasierte Segmente mit spezifischen Herausforderungen wie der Nachhaltigkeit der Biomasseproduktion und der Heterogenität von Produkteigenschaften konfrontiert. Neben der Überwindung von Markthemmnissen muss Europa seine Position im globalen Innovationswettlauf behaupten, um sich durch Technologieführerschaft neue Wertschöpfungspotenziale zu sichern (siehe cepInput 5/2024).
 
Konsultationen
Die EU-Kommission bittet Entscheidungsträger und Interessierte in der Zivilgesellschaft um Stellungnahmen zu europäischen Politikvorhaben. Wir haben für Sie die wichtigsten Konsultationen zusammengestellt:
Binnenmarkt
DSGVO: Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat am 8. Oktober 2024 den Entwurf der Leitlinien 1/2024 zur Verarbeitung personenbezogener Daten auf der Grundlage eines berechtigten Interesses gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) veröffentlicht. In den Leitlinien werden die in der DSGVO festgelegten Kriterien analysiert, die ein für die Verarbeitung „Verantwortlicher“ erfüllen muss, um personenbezogene Daten auf der Grundlage eines berechtigten Interesses rechtmäßig zu verarbeiten. Das berechtigte Interesse zählt in der Praxis zu den wichtigsten datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen.
Die Leitlinien erläutern näher, welche Interessen als legitim angesehen werden können, wann eine Datenverarbeitung nicht als erforderlich angesehen werden kann und welche Gesichtspunkte der Verantwortliche bei der Abwägung der Interessen berücksichtigen muss. Der EDSA erklärt auch, wie diese Bewertung in der Praxis durchzuführen ist und geht dabei näher auf spezifische Kontexte wie Datenverarbeitungen zum Zwecke der Betrugsprävention, des Direktmarketings und der Informationssicherheit ein. Schließlich erläutert er auch das Verhältnis zwischen der genannten Rechtsgrundlage und einer Reihe von Betroffenenrechten nach der DSGVO.
Die Leitlinien sind nicht unmittelbar rechtlich bindend, geben aber das gemeinsame Verständnis wieder, das die europäischen Datenschutzbehörden anwenden wollen, um eine einheitliche Anwendung der DSGVO zu gewährleisten.
Zu den Leitlinien können Interessenträger und Bürger im Rahmen einer Konsultation Stellung nehmen.
 
Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 20. November 2024.
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Finanzmärkte
Kapitalmarktunion: Wiederbelebung der EU-Verbriefungsmärkte

Die EU-Kommission hat am 9. Oktober 2024 eine Konsultation zur Funktionsweise des EU-Verbriefungsrechtsrahmens gestartet. Dieser Rechtrahmen ist 2017 in Kraft getreten [Verordnung (EU) 2017/2402, s. cepAnalyse 4/2016] und findet seit 2019 Anwendung. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde er im Jahr 2021 angepasst [Verordnung (EU) 2021/557, s. cepAnalyse 11/2020]. Nicht zuletzt durch die jüngst veröffentlichten Berichte von Christian Noyer, Enrico Letta und Mario Draghi werden auch in der Politik die Rufe nach einer Überarbeitung des EU-Verbriefungsrahmens lauter. Mit einer solchen sollen die Kreditvergabekapazität europäischer Banken gestärkt, die Kapitalmärkte vertieft, ein Beitrag zur Etablierung einer Spar- und Investitionsunion geleistet und die Wettbewerbsfähigkeit der EU gestärkt werden. Im Rahmen der Konsultation will die Kommission nun in Erfahrung bringen, an welchen Stellen eine Überarbeitung des aktuellen Rechtsrahmen geboten wäre. Sie will die Antworten auf die Konsultation für den Review des EU-Verbriefungsrahmens nutzen. Sowohl in ihren Politischen Leitlinien als auch in dem Mission Letter für die designierte Finanzmarktkommissarin Maria Luís Albuquerque hat die Kommission bereits angekündigt, eine Überarbeitung in der Legislaturperiode 2024-2029 in Angriff nehmen zu wollen.
 
Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 4. Dezember 2024.
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Digitalisierung | Neue Technologien
Einrichtung eines wissenschaftlichen KI-Gremiums

Die Europäische Kommission bittet um Rückmeldung zu einer neuen Durchführungsverordnung, die ein wissenschaftliches Expertengremium im Rahmen des jüngst verabschiedeten KI-Gesetzes einrichten soll. Dieses unabhängige Gremium soll das neue KI-Büro der EU sowie die nationalen Marktaufsichtsbehörden bei der Umsetzung und Durchsetzung der KI-Vorschriften beraten und unterstützen. Die Feedback-Phase läuft vom 18. Oktober bis zum 15. November 2024. Alle eingereichten Rückmeldungen werden veröffentlicht und bei der Fertigstellung der Verordnung berücksichtigt, in der die Regeln für die Einrichtung und Arbeitsweise des Gremiums festgelegt werden.
 
Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 15. November 2024.
Datenzugang nach dem Digital Services Act

Die Europäische Kommission hat eine Konsultation zu einer delegierten Verordnung im Rahmen des Digital Services Act (DSA) gestartet. Dieser sieht u.a. vor, dass sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen neben Behörden unter bestimmten Voraussetzungen auch Forschern Zugang zu ihren Daten gewähren müssen. Zugleich überträgt er der Kommission die Befugnis, die Bedingungen, unter denen diese Daten bereitgestellt werden müssen, sowie ein einfaches und sicheres Verfahren für einen solchen Datenzugang in delegierten Rechtsakten näher zu regeln. Die Kommission will nun eine solche delegierte Verordnung ausarbeiten und hierzu die Ansichten der Interessenträger einholen. Insbesondere möchte sie wissen, welche Arten von Daten, Metadaten und Informationen für Behörden und Forscher nützlich sein könnten, wie das Antragsverfahren gestaltet werden sollte, welche Schutzmaßnahmen zur Einhaltung der Zweckbindung und zur Vermeidung von Missbrauch ergriffen werden sollten und welche technischen Spezifikationen für den Datenzugang in Betracht kommen.
Der cep-Fachbereichsleiter für Digitalisierung hat kürzlich an einem offenen Brief mitgewirkt, in dem auf Barrieren zu solchen Daten hingewiesen wird, mit denen Forscher derzeit in Bezug auf die Integrität von Informationen auf großen Plattformen konfrontiert sind. Dieser von der Internationalen Beobachtungsstelle für Information und Demokratie initiierte Brief wurde von 150 Forschenden aus 41 Ländern unterzeichnet und in mehreren internationalen Medien veröffentlicht. Er appelliert an politische Entscheidungsträger, den Zugang zu digitalen Informationen zu sichern und Forscher in ihrer Arbeit zum Schutz der Demokratie zu unterstützen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 26. November 2024.
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Termine
4.-12. November 2024
Brüssel

Anhörungen zur Bestätigung der Europäischen Kommission: Das Europäische Parlament lädt die designierten Kommissionsmitglieder zu Anhörungen vor den zuständigen Ausschüssen ein. Bei den Anhörungen prüfen die Abgeordneten, ob die Kommissionsanwärter nach Ansicht der Ausschussmitglieder für die für sie vorgesehenen Zuständigkeitsbereiche geeignet sind. Mehr zu den Anhörungen in unserer cepSeries zu den „Mission Letters“.
 
5. November 2024
Brüssel

Treffen des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin). Es geht insbesondere um das Paket über die Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter (‘VAT in the Digital Age’ package). Zudem will der Rat final über die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von (Rück-)Versicherungsunternehmen, die Richtlinie zur Änderung der Solvabilität-II-Richtlinie (s. cepAnalyse 2/2022) und auch die Bauprodukte-Verordnung (s. cepDossier 3/2022) abstimmen.
 
8. November 2024
Budapest

Europäischer Rat. Informelle Tagung der Staats- und Regierungschefs.*

15. November 2024
Brüssel

Tagung ds Rates für Wirtschaft und Finanzen. Es geht um den Jahreshaushaltsplan der EU für 2025.

29. November 2024
Brüssel

Tagung des Rates für Wettbewerbsfähigkeit.*

*Die Tagesordnungspunkte sind bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
 
cepNetwork
Das cepNetwork Freiburg-Berlin-Paris-Rom berichtet über aktuelle politische Ereignisse in Frankreich und Italien.
Italienisch-Deutsche Panzerallianz zwischen Leonardo und Rheinmetall gestartet

Am 15. Oktober haben die Leonardo-Gruppe, die zu 30% vom italienischen Staat kontrolliert wird, und das deutsche Unternehmen Rheinmetall die Vereinbarung zur Gründung des im Juli angekündigten Gemeinschaftsunternehmens unterzeichnet. Das Unternehmen, das seinen Sitz in Rom haben und von La Spezia in Ligurien aus operieren wird, wird eine deutsch-italienische Allianz für die Produktion von Panzern sein, die in erster Linie den 10-Jahres-Auftrag des italienischen Heeres in Höhe von 20 Mrd. Euro erfüllen soll, um die alte Flotte von Ariete- und Dardo-Panzern durch 280 gepanzerte Fahrzeuge, teils Kampf-, teils Unterstützungsfahrzeuge, und mehr als tausend leichte Kettenfahrzeuge zu ersetzen. Der von Rheinmetall entwickelte Panther KF51 wird die Grundlage für den neuen Panzer bilden, der den Ariete in der italienischen Armee ersetzen wird. Das neue Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen Leonardo Rheinmetall Military Vehicles wird auf einer 50:50-Arbeitsteilung zwischen Leonardo und Rheinmetall beruhen, wobei 60% der Aktivitäten in Italien durchgeführt werden sollen. Das neue Unternehmen wird sich auch auf den Export und insbesondere auf die Möglichkeiten konzentrieren, die der neue europäische schwere Panzer bieten wird. Insgesamt handelt es sich um einen Markt mit einem geschätzten Wert von mehr als 50 Milliarden Euro.

Italien richtet das 7. OECD-Weltforum zum Wohlbefinden aus

Vom 4. bis 6. November 2024 wird Italien im Rahmen seines G7-Vorsitzes das 7. OECD-Weltforum zum Wohlbefinden ausrichten. Wohlbefinden hat nicht nur mit Armut oder wirtschaftlichem Wohlergehen zu tun, sondern umfasst eine Reihe von Faktoren, darunter die Art und Weise, wie Menschen leben, studieren, arbeiten, ihre Freizeit verbringen oder Zugang zu Gesundheitsversorgung und medizinischen Einrichtungen haben. In dieser Hinsicht handelt es sich um ein multidimensionales Konzept, das zunehmend in den Mittelpunkt der Agenden der heutigen politischen Entscheidungsträger und der Unternehmer rücken sollte. In der Tat spielt das Wohlbefinden eine grundlegende Rolle bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Steigerung der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Ländern, da es sich auf das Produktivitätsniveau auswirkt.
Bis heute haben die meisten Länder irgendeine Form von Rahmen entwickelt, um ihre nationalen Niveaus von Glück, Gesundheit oder allgemeinem Wohlergehen zu quantifizieren, um nur einige zu nennen. Dennoch sind die Daten zum allgemeinen Wohlbefinden oft von den Daten der „harten“ Wirtschaft getrennt. Im Einklang mit dem Finance Track des italienischen G7-Vorsitzes, der unter anderem darauf abzielt, die Verabschiedung von Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens anzuregen, zielt das Forum darauf ab, eine eingehende Diskussion auf der Grundlage von Daten und empirischen Analysen zu führen und bewährte Praktiken in den Bereichen Sozial-, Umwelt- und Verteilungspolitik auszutauschen, um großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der digitalen Transformation und der künstlichen Intelligenz zu begegnen.
 
Frankreichs Haushalt 2025: Ein Wendepunkt für Europas finanzielle Stabilität

Die Debatte über den französischen Haushalt 2025, die offiziell am 10. Oktober mit der Vorlage des Finanzgesetzentwurfs begann, ist sowohl für Frankreich als auch für Europa von großer Bedeutung. Erstmals plant die französische Regierung eine Kürzung der Ausgaben um 41,3 Milliarden Euro, begleitet von einer Steuererhöhung um 19,3 Milliarden Euro. Dieses beispiellose Anpassungsziel soll das öffentliche Defizit auf 5% senken, während gleichzeitig eine Verschiebung der Rückkehr zur Defizitgrenze von3 % von 2027 auf 2029 beantragt wird. Ohne diese Maßnahmen könnte das Defizit laut Regierung im Jahr 2025 7 % erreichen, während andere Euro-Länder bereits dabei sind, ihre Defizite zu reduzieren.
Diese Anstrengung ist unvermeidbar, denn das Risiko für den Euro-Raum wäre ansonsten erheblich: Steigende Zinssätze in Frankreich könnten die EZB zwingen, sich erneut mit Schuldenkäufen einzusetzen, was die politische Stabilität des Euro-Raums infrage stellen könnte, da nördliche Länder ungern Haushaltsdefizite mit Inflation finanzieren. Das Überleben des Euros hängt von diesem politischen Ausgleich ab. Die französische Regierung ist gefordert, alles Erdenkliche zu tun, um ihren Anteil zu leisten.
 
EU Mission Letters
Zwischen dem 4. und 12. November müssen die Kommissionskandidaten vor dem Europäischen Parlament Rede und Antwort stehen. Prüfstein sind die sogenannten Mission Letters, in denen Präsidentin Ursula von der Leyen den neuen Kommissaren Aufgaben und Portfolios zuweist. Das Centrum für Europäische Politik hat Kandidaten, Ressorts und EU-Initiativen besonders mit Blick auf Binnenmarkt und Wettbewerb unter die Lupe genommen. Ergebnis: Vieles hätte ambitionierter und strukturierter ausfallen müssen.
Binnenmarkt und Wettbewerb
Die Kommission will Hindernisse beseitigen und Bürokratie abbauen, um mehr Wachstum zu schaffen. „Die derzeitigen Berichtspflichten stellen eine übermäßige Belastung für alle Unternehmen dar, unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Risiko“, sagt cep-Binnenmarktexperte Matthias Kullas. Anstatt Unternehmen unter den Generalverdacht der Missachtung von Vorschriften zu stellen, sollten dort Kontrollen ansetzen, wo Risiken bestehen oder Fehlverhalten vermutet wird. Bei der Neuausrichtung des Wettbewerbsrechts will die Kommission laut Kullas zu viel auf einmal. Sie laufe Gefahr, sich zwischen der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, der Schaffung europäischer Champions und der Dekarbonisierung der Wirtschaft zu verzetteln.

Digitalpolitik
Die Kommission will Cybersicherheit weiter stärken, den Rückstand in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und Cloud-Computing aufholen, Investitionen in digitale Infrastrukturen anregen, die Datenpolitik der EU kohärenter gestalten und den Schutz der Bürger im digitalen Umfeld verbessern. cep-Digitalexpertin Anja Hoffmann stellt klar, dass die EU vor allem rechtliche Unschärfen beseitigen muss, wenn sie den Datenaustausch fördern will. „Sie muss zudem die rechtskonforme Anonymisierung und Nutzung synthetischer Daten fördern, Konflikte mit den wichtigsten Datenschutzgrundsätzen lösen und einen innovationsfreundlichen Umgang mit der Datenschutz-Grundverordnung ermöglichen“, sagt Hoffmann. Im Bereich KI könnten durch den privilegierten Zugang zu Supercomputern für ausgewählte Start-ups Marktverzerrungen entstehen. Hauptkritikpunkt sei, dass die öffentliche Finanzierung von KI-Projekten in der EU weit hinter denen von China oder den USA zurückhinke. „Die Zukunft der europäischen KI liegt nicht in europäischen Champions, einigen wenigen Supercomputern und zentraler Planung, sondern in der Freisetzung ihrer unternehmerischen Energien“, sagt cep-Digitalexperte Anselm Küsters.

Finanzmärkte
In der neuen Legislaturperiode wird es das Hauptziel der Kommission sein, eine Spar- und Investitionsunion zu schaffen, weitere Fortschritte bei der Vollendung der Bankenunion zu erzielen, sicherzustellen, dass der EU-Rahmen für nachhaltige Finanzen benutzerfreundlicher, praktikabler und effizienter wird, den Schutz von Verbrauchern und Kleinanlegern in zunehmend digitalen und KI-gesteuerten Finanzdienstleistungsmärkten zu gewährleisten und den digitalen Euro Wirklichkeit werden zu lassen.
cep-Finanzmarktexperte Philipp Eckhardt misst der Schaffung einer Spar- und Investitionsunion eine zentrale Bedeutung zu. Hindernisse für Investitionen von Privatkunden müssten beseitigt, wettbewerbsverzerrende Provisionsverbote vermieden, Beratungsprozesse gestrafft und die Finanzkompetenz der Bürger gestärkt werden. Zudem sollte die vollständige Überarbeitung des EU-Rahmens für nachhaltige Finanzen Priorität erhalten. Die Notwendigkeit für einen digitalen Euro sieht Eckhardt nicht.

Klima, Energie, Umwelt, Verkehr
Bis 2040 will die Kommission eine rechtsverbindliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindestens 90 % im Vergleich zu 1990 vorschlagen. Das Ambitionsniveau des Klimaziels für 2040 wird bestimmen, wie ehrgeizig die jeweiligen EU-Politiken und Rechtsinstrumente für die Zeit nach 2030 sein müssen. „Zwar plant die Kommission, im Rahmen der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw mehr Technologieneutralität zu ermöglichen, bei der E-Fuels eine Rolle spielen. Es ist jedoch mehr Flexibilität erforderlich, damit die europäische Automobilindustrie die Ziele erreichen und wettbewerbsfähig sein kann“, sagt cep-Klimaexperte Götz Reichert.

Industriepolitik
Die industrielle Strategie der neuen Kommission beruht auf vier Hauptsäulen: Dekarbonisierung energieintensiver Industrien, Innovation und Förderung der Verbreitung grüner und digitaler Technologien, Sicherung des Zugangs zu kritischen Inputs und Schutz der europäischen Industrien vor externen Risiken. „Um die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, sollte die Kommission einen kohärenten, investorenorientierten Ansatz wählen. Dazu sollte die Beseitigung unnötiger regulatorischer Belastungen gehören und die Rolle von Preissignalen als Anreiz für langfristige Investitionen in Innovation und Produktion von Transformationstechnologien gestärkt werden“, fordert cep-Ökonom André Wolf.

Migration
Die Migrationspolitik der EU stützt sich auf das neue Migrations- und Asylpakt, eine Reihe neuer Vorschriften, die während der Legislaturperiode umgesetzt werden. Der Pakt konzentriert sich in erster Linie auf die Bekämpfung illegaler Einwanderung und Schleuser, die Stärkung der EU-Außengrenzen und eine strenge Rückführungspolitik für diejenigen, die in der EU keinen Anspruch auf Asyl haben. „Die EU muss aufpassen, dass einige ihrer angestrebten Maßnahmen nicht gerichtsfest sein könnten“, gibt cep-Migrationsexperte Andrea De Petris zu bedenken.
 
cepPublikationen
cepAdhoc: Harris Versus Trump: US Presidential Election and its Implications for the European Union
cepInput: Alkohol gefährdet die Gesundheit: cep fordert EU-einheitliches Label nach irischem Vorbild
Die US-Präsidentschaftswahl ist bis zuletzt völlig offen. Das Centres for European Policy Network (cep) hat die Folgen möglicher Wahlausgänge für Europa untersucht. Kernthese: Geopolitisch bewegen sich sowohl Donald Trump als auch Kamala Harris von Europa weg. Mit Trump wird es aber stürmischer.

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cepInterview: EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer: „Technologische Innovation ist der Motor Europas“
cepInput: Alkohol gefährdet die Gesundheit: cep fordert EU-einheitliches Label nach irischem Vorbild
Nicola Beer will als neue Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) die Wettbewerbsfähigkeit der EU durch Innovation fördern. „Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie durch technologische Innovation hat für die EIB oberste Priorität“, sagte sie dem Centrum für Europäische Politik.

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cepAdhoc: Rethinking the Roots of the EU’s Housing Crisis: The Case of Italy
cepInput: Alkohol gefährdet die Gesundheit: cep fordert EU-einheitliches Label nach irischem Vorbild
Erstmals plant die EU ein eigenes Kommissariat für Wohnen. Das Centrum für Europäische Politik begrüßt diesen Schritt angesichts der Wohnungsnot gerade in den Ballungszentren vieler Mitgliedstaaten. Die zu erwartenden Maßnahmen dürften aber nicht zu Lasten eines freien Wettbewerbes gehen.

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cepAdhoc: Reform des EU-Haushalts
cepInput: Alkohol gefährdet die Gesundheit: cep fordert EU-einheitliches Label nach irischem Vorbild
Die neue Kommission will den finanziellen Spielraum der EU ausweiten. Daher strebt Präsidentin Ursula von der Leyen eine Reform des sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) an - unter anderem mit einer Streichung landwirtschaftlicher Subventionen. Das Centrum für Europäische Politik hält die geplante Reduzierung auf vier Fonds für sinnvoll, warnt aber vor politischen Risiken.

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cepInput: Towards an Efficient Decarbonization of Heat Use
Ob Finanzierung, Renovierungsbedarf oder Fachkräfteknappheit: Zahlreiche Barrieren bremsen Europas Umstieg auf klimaschonende Heiztechnologien, etwa auf Wärmepumpen. Das Centrum für Europäische Politik plädiert für einen marktfokussierten europäischen Aktionsplan. Kernpunkt: die Reduktion von Kosten.

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cepInput: Zur Ordnung einer Zivilisation im Zeitalter von Anthropozän und Transhumanismus
Ordnungspolitik will die Grundlagen des Zusammenlebens so setzen, dass eine Gesellschaft ihre Werte und Interessen verteidigen kann und zugleich Fortschritt und Stabilität schafft. Klimawandel und Künstliche Intelligenz stellen zeitgleiche paradigmatische Umbrüche dar, die die Ordnung selbst verändern. Die große zivilisatorische Herausforderung besteht darin, die ordnungspolitisch zentralen Begriffe von Freiheit und Verantwortung sowie die grundlegenden Konzepte von Staat und Gesellschaft neu zu definieren. Das Zeitalter des Anthropozän und des Transhumanismus markiert nicht weniger als den Beginn einer neuen Zivilisation.

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Common Ground of Europe
Die internationale Webseite „Common Ground of Europe” geht auf eine Initiative des Centres for European Policy Network (cep) zurück. Auf commongroundeurope.eu sammelt das cep vor allem englischsprachige Beiträge, Artikel und Interviews von Entscheidungsträgern und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Wir laden Sie herzlich dazu ein, durch unser Schaufenster nach Europa zu blicken. Im Folgenden finden Sie Beispiele aus dem vergangenen Monat.
Combining Japanese Tradition and Tech Innovation: A Blueprint for Europe?
Japans Verschmelzung von Tradition und digitaler Technologie könnte einige Lektionen für den Wandel in Europa bieten. Von immersiven Kunstinstallationen bis hin zu interaktiven Bildschirmen zeigen die allgegenwärtigen Innovationen des Landes, dass die digitale Revolution jenseits des aktuellen KI-Hypes das Alltagsleben wirklich verbessern kann. Allerdings werfen sie auch Bedenken hinsichtlich der kulturellen Inklusion auf und könnten möglicherweise neue soziale Klüfte schaffen.

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A Fragile Global Arena: How theElection of Donald Trump CouldImpact Italy and the EU
Diesen Monat könnte das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahlen einen radikalen Wandel in einer bereits unruhigen globalen Politik bewirken. Was die EU betrifft, so könnte der Sieg von Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten dazu führen, dass sie nach mehr Autonomie strebt oder umgekehrt sich ihre interne Spaltung verstärkt.

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Relocating Asylum Seekers out ofEurope is Not Working
Im Jahr 2023 schien es, dass bilaterale Abkommen zwischen europäischen Staaten und Drittländern zur Umsiedlung von Asylbewerbern außerhalb Europas die Aufnahmesysteme des Kontinents entlasten könnten. Der Plan zwischen dem Vereinigten Königreich und Ruanda sowie das Protokoll zwischen Italien und Albanien wurden als innovative Lösungen angepriesen, doch ihre Umsetzung in der Praxis weist erhebliche Mängel auf.

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Zum Schluss
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der britische Politiker David Lloyd George (1863-1945) sagte einmal: „Wahlen sind manchmal die Rache des Bürgers. Der Stimmzettel ist ein Dolch aus Papier.“

Ihr
Dr. Jörg Köpke
 
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