Capital 30. April 2021 – Nr. 17
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Top-Thema: Die 50.000-Euro-Frage: Wohin noch mit dem Geld?
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Timo Pache
Stellvertretender Chefredakteur
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 
wer hätte noch gedacht, dass man sich einmal freut, wenn es Nachrichten von der Deutschen Bank gibt. Allzu traumatisch waren da die vergangenen zehn, zwölf Jahre, und zwar für alle Beteiligten – Mitarbeiter, Kunden und im Grunde genommen für uns alle, die wir den Niedergang des größten deutschen Geldhauses mitansehen mussten. Ja, bisweilen sogar fürchteten, denn immer standen auch drohend im Raum: die Staatsrettung, die Haftung des Steuerzahlers, too big to fail.
 
Diese Woche hat eine Wende gebracht. Wahrscheinlich noch nicht die endgültige, denn dazu sind Finanzmärkte generell zu komplex und schwankend. Aber doch eine entscheidende Wende zum Besseren: Mit den Geschäftszahlen für das erste Quartal 2021 hat die Bank erstmals so etwas vorgelegt wie eine Aussicht: Es gibt eine Zukunft für diese Bank jenseits von Skandalen, Restrukturierungen und Strategiewechseln.
 
Gut 1 Mrd. Euro nach Steuern hat die Bank in den ersten drei Monaten dieses Jahres verdient, das ist das beste Ergebnis in einem Quartal seit sieben Jahren. Das harte Kernkapital der Bank, also der Gradmesser für ihre Widerstandskraft gegen Krisen und Schocks, stieg gegenüber dem Vorjahr um fast einen Prozentpunkt auf 13,7 Prozent. Innerhalb von fünf Tagen ging es um gut 18 Prozent nach oben für die Aktie, von unter 10 Euro am Montag auf deutlich über 11 Euro an diesem Freitag. Das sind ordentliche Zahlen.
 
Das eigentlich Gute ist aber nicht der Gewinn, den die Bank wieder erwirtschaftet. Sondern es sind die Ergebnisse der einzelnen Geschäftsfelder, die signalisieren: Die Erholung beruht nicht allein auf komplizierten Geschäften in irgendeiner entlegenen Sparte in London oder New York, deren Treiben kein Mensch und auch kein Risikoprüfer versteht. Sondern sie zieht sich durch alle Sparten, ist breit und zunehmend stabil.
 
Praktisch alle Geschäftsfelder lagen zu Jahresbeginn deutlich im Plus, nicht nur gegenüber dem Vorjahr, sondern auch gegenüber den Erwartungen der Branchenexperten und damit auch gegenüber den größten Wettbewerbern. Das gilt sogar für das lange als bieder und notorisch unrentabel geltende Geschäft mit Privatkunden, wo die Bank trotz Null- und Minuszinsen fast 300 Mio. Euro vor Steuern verdiente. Ähnlich das Bild im Geschäft mit Finanzierungen für Unternehmen, und das trotz Pandemie und einer dramatischen Krise für immer noch viele Selbstständige und Betriebe.
 
Dass den Großteil des Überschusses gleichwohl die Mitarbeiter im so oft gescholtenen Investmentbanking machten – also jene Sparte, die in den letzten 15 Jahren praktisch keinen Skandal am globalen Finanzmarkt ausgelassen hat – ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch dazu. Denn was gerade in der Krise gut läuft und zugleich so offenkundig wichtig ist für die betroffenen Kunden, ist das Geschäft mit langlaufenden Finanzierungen für Staaten und Banken über Anleihen. Hier war die Bank schon immer stark und diese Stärke zahlt sich jetzt aus.
 
Zur Wahrheit gehört natürlich auch: In den Zahlen steckt ein schmerzhafter Sparkurs, der Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen und die rasante Schließung von hunderten Filialen in deutschen Innenstädten. So machte allein die Deutsche Bank nach Angaben der Bundesbank im vergangenen Jahr 869 Filialen dauerhaft dicht (die Zahlen enthalten auch geschlossene Niederlassungen der Tochter Postbank) – die Commerzbank im Vergleich nur 180. Das sind dramatische Zahlen und auch ein Zeichen des gewaltigen Strukturwandels, in dem sich die gesamte Branche befindet. Aber ohne die jetzige Wende zum Besseren bei der Deutschen Bank, die deutliche Rückkehr in die Profitabilität, würden diese Einschnitte ja nur noch schärfer und schmerzhafter ausfallen.
 
Welche langfristigen Optionen sich für die Bank aus dieser Trendwende eröffnen, hat unser Frankfurt-Korrespondent Stefan Schaaf in dieser Woche analysiert. Bei aller gebotenen Vorsicht angesichts der Abgründe, die sich in den letzten 15 Jahren unter vermeintlicher Solidität und Stärke aufgetan haben, muss man heute zumindest anerkennen, dass die Strategie des oft blass wirkenden CEOs Christian Sewing so falsch nicht sein kann. 
 
Die wichtigste Botschaft zur Deutschen Bank in dieser Woche hat allerdings nicht unmittelbar mit den Zahlen zu tun, mit Spartengewinnen oder Kapitalquoten. Sondern mit einer neuen Perspektive: Die Häme, die in den vergangenen zehn Jahren aus vielen Kommentaren zur größten deutschen Bank sprach, war nachvollziehbar angesichts der Verfehlungen, die sich die obersten Banker geleistet hatten – die Zwillingstürme in Frankfurt waren zu einem Symbol für Hybris und ethisches Versagen geworden. Doch die Haltung, die daraus sprach – nach dem Motto: „Ist das Schrott oder kann das weg?“ – war immer auch naiv, sie enthielt selbst etwas Überhebliches: Als könne es sich die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde ernsthaft leisten, mal eben auf das einzige Finanzinstitut von internationaler Bedeutung zu verzichten. Die Antwort war immer: Nein, das kann sie nicht.
 
Auch Großbanken wie die Deutsche haben eine Berechtigung, gerade in einer Krise wie der derzeitigen. Wenn sie ihren Job machen, dann halten sie die Wirtschaft am Laufen und stellen sicher, dass das Geld weiter fließt: Dass Rechnungen bezahlt werden, Kredite vergeben werden, Lieferketten funktionieren und Unternehmen an frisches Kapital für Investitionen und neue Entwicklungen kommen. Genau das ist in der Pandemie passiert und sorgt dafür, dass Banken wieder mehr verdienen. Was manche nun gleich wieder als zynisch betrachten mögen, ist genau ihr Zweck. Und ihre Verpflichtung.
 
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende,

Ihr

Timo Pache
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