Capital 1. März 2024 – Nr. 9
2df393d0-5431-431c-80ec-e3345aae3c6c.png
Top-Thema: Warren Buffett: Worauf der „Fuchs aus Omaha“ lauert
813663bc-505a-417a-9055-a767fc5c86ed.png 153b4f33-f20e-4c31-927f-e0c3c2578698.png 1dbb637b-5438-46e6-9b9d-6b816083757d.png f0dcd58e-c231-44e3-a35b-608d0e01182c.png
Timo Pache
Chefredakteur
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
 

es kommt nicht oft vor, dass in diesen Wochen mal eine halbwegs erfreuliche Nachricht in Deutschland eintrifft, erst recht nicht, wenn sie den Kern der deutschen Industrie betrifft – und dann auch noch aus dem Zentrum der permanenten Umwälzung, dem Silicon Valley. Aber so kann und darf man wohl die Nachricht interpretieren, der Tech-Gigant Apple stelle seine Arbeiten an einem eigenen Apple-Car überraschend ein.  

 

Zugegeben, die Nachricht muss auch nicht gleich Jubelstürme in Wolfsburg, Stuttgart, Dingolfing und Ingolstadt auslösen. Aber sie enthält doch einige Botschaften für die deutschen Autobauer, die eine genauere Betrachtung lohnen.  

 

Da wäre als erstes die Erkenntnis, dass die Entwicklung von Autos und ihre Produktion in einem industriellen Maßstab eine gar nicht so triviale Angelegenheit ist: Das Zusammenspiel aus Design, Technik und Software, Motorisierung und den Bedingungen einer großen Serienproduktion mit ihrer Logistik und ihren Lieferketten stampft man nicht mal eben aus dem Boden – das erfordert mindestens Jahrzehnte an Erfahrung und Feinschliff.  

 

Es ist nicht unmöglich, wie der Aufstieg von Tesla und auch einiger chinesischer Autobauer zeigt, die jetzt ebenfalls massiv auf den europäischen Markt drängen. Doch die Autoproduktion in einem industriellen Maßstab und auf einem so hohen Niveau wie es die deutschen Autobauer seit Jahrzehnten praktizieren (und wie man es auch von einem Apple-Car erwartet hätte) ist nicht so leicht nachzuahmen. Zumal, wenn man als weitere Bedingung noch die Rentabilität hinzunimmt: Apple hat seine Pläne ja offenbar auch deshalb beerdigt, weil man erkannte, dass man für unter 100.000 Dollar kaum Autos produzieren könnte, die auch nur annähernd an die Margen heranreichen, die die Apple-Manager sonst von ihren Produkten gewöhnt sind.  

 

Das ist unzweifelhaft richtig – Margen von 25 bis 30 Prozent sind mit Autos im Massengeschäft nicht zu erreichen, sondern allenfalls im absoluten Luxussegment. Und schon deutlich niedrigere Margen von zehn bis 15 Prozent sind extrem sportlich. Andererseits beweisen gerade die deutschen Autobauer – trotz immer neuer Zweifel an der Zukunftsfähigkeit ihrer Produkte –, dass sie mit ihren Autos gutes Geld verdienen können: Bei Mercedes etwa blieben bei einem Umsatz von 153 Mrd. Euro im vergangenen Jahr immerhin gut 14 Mrd. Euro als Nettoergebnis, der Konzern übertraf einmal mehr die meisten Analystenschätzungen.   

 

Das soll nicht heißen, dass die deutschen Autobauer nicht vor enormen Herausforderungen stünden. Doch zunächst einmal können sie auf Kompetenzen und auf einer industriellen Substanz aufbauen, die andere gerne hätten und die sich längst nicht so schnell replizieren lässt. Diese Erfahrung macht ja auch gerade die Lichtgestalt Elon Musk mit seiner Automarke Tesla: Lieferkettenprobleme, Qualitätsmängel, enttäuschte Kundenerwartungen und empfindliche Kostensteigerungen schmälern den Absatz in einem umkämpften Markt und drücken die Rentabilität. Für Tesla und Musk mag das ein schmerzhafter Abstieg in die Normalität sein, seine deutschen Wettbewerber sind dort seit Jahrzehnten und mit solchen Widrigkeiten und Rückschlägen bestens vertraut.  

 

Die Frage, wann das autonome Fahren kommt und wir tatsächlich während der Fahrt auf dem iPad herumdaddeln, Filme schauen oder mit den Kindern spielen, ist da fast schon eine nebensächliche Spielerei. Vielleicht wird es irgendwann so weit sein, aber alle bisherigen Versprechungen haben sich als viel zu optimistisch erwiesen. Die deutschen Autobauer sind hier weder ganz vorne dabei noch hängen sie weit zurück – wenn die Technik so weit ist, wird sie kommen, und zwar überall. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass sie allein über die Zukunft des Automarktes entscheiden wird.    

 

Wichtiger ist da eine ganz andere Aufgabe – es ist die eigentliche Herausforderung für deutsche Autokonzerne: die Batterietechnik. Wer hier ganz vorne ist, wird den Wettbewerb um attraktive Produkte und hohe Margen gewinnen. Die heutigen Lithium-Ionen-Batterien haben viele Nachteile: Sie leisten viel zu selten, was ihre Hersteller versprechen, sie sind zu teuer (was die Autos unattraktiv macht) und praktische alle Autobauer hängen bei Technik und Rohstoffen von chinesischen Herstellern ab, vor allem von BYD (die jetzt auch noch mit Macht in westliche Automärkte vorstoßen). Kurz: Wenn das Elektroauto die Zukunft ist, wofür viel spricht, dann müssen die deutschen Hersteller in neue Batterietechnologien investieren.   

 

Dies ist die große Erkenntnis, auch aus der Apple-Absage: Selbst wenn sie alles rund um das Auto hinbekommen hätten – die Produktion, die Lieferketten, das autonome Fahren –, am Ende hing auch Apples Erfolg am Zugang zu günstiger und besserer Batterietechnologie. Hier entscheidet sich die Marge im künftigen Automarkt. Auch BMW, Mercedes und VW haben (zu) lange gebraucht, um dies zu erkennen. Doch immerhin haben sie es verstanden und investieren jetzt. Das Rennen um die besten Batterie- und Stromspeichertechnologien geht gerade erst los – es ist heute die Chance für die deutschen Autobauer.  

 

Ich wünsche Ihnen ein schönes, sonniges Vorfrühlingswochenende!

Herzlich, Ihr

Timo Pache
Sie haben diesen Newsletter weitergeleitet bekommen oder möchten ihn empfehlen? Das können Sie mit diesem Link tun.
Die neue Capital
 

Die amerikanische Wirtschaft glänzt mit guten Zahlen. Dennoch gelingt es US-Präsident Joe Biden nicht, seine Politik in bessere Umfragewerte umzumünzen. Besiegelt die Wahl 2024 das Ende der Erfolgsformel „It’s the economy, stupid“? Die neue Ausgabe ist ab dem 17. Februar im Handel und hier bestellbar:

Top-Themen

SAP durchbricht erstmals Marke von 200 Mrd. Euro

Der Softwarekonzern SAP hat seinen Börsenwert weiter gesteigert und ist so viel wert wie noch nie. Eine gute Gelegenheit, die Aktie zu kaufen?

Zum Artikel

Warren Buffett: Worauf der „Fuchs aus Omaha“ lauert

Die Quartalszahlen von Warren Buffetts Berkshire Hathaway sind positiv – trotzdem stimmt die Investorenlegende seine Anhänger auf schlechte Zeiten ein. Der Grund ist ein Luxusproblem

Zum Artikel

Zinssenkungen verzögern sich: Was das für Anleger bedeutet (C+)

Erst März, dann April und jetzt Juni: Die US-Bank Goldman Sachs verschiebt ihre Prognose für die erste Zinssenkung in den USA und befindet sich damit in bester Gesellschaft: Immer mehr Experten kassieren ihre Prognosen. Was heißt das für Anleger?

Zum Artikel

Warum die Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 nur fair ist

Die Bundesregierung will die Steuerklassenkombination 3/5 für Ehepaare abschaffen. CSU-Chef Söder kritisiert das. Warum die Reform wichtig ist und Söder falsche Tatsachen behauptet

Zum Artikel

„Gerade jetzt“ lohnt sich der Einstieg ins Festgeld noch

Bevor die EZB die Zinsen im Sommer wieder senken dürfte, schieben Anleger ihr Geld jetzt noch ins Festgeld. Wer das auch tun will, muss schnell sein

Zum Artikel

Wieso Apple seine Autopläne beerdigt

Nach mehr als zehn Jahren und Milliarden an Investitionen zieht sich Apple aus der Entwicklung autonomer Elektrofahrzeuge zurück. Einfluss auf die etablierte Autoindustrie hat der kalifornische Konzern dennoch

Zum Artikel

Die Rothschilds: So verlor Europas berühmteste Familie ihren Einfluss (C+)

Keine Bankiersfamilie ist in Deutschland so bekannt wie die Rothschilds. Die Geschichte der Dynastie ist eine Saga über Aufstieg, Macht und Einfluss

Zum Artikel

„Das Höchste, was ich mit verhandelt habe, waren eine Million Euro“

Tausenden Beschäftigten droht zurzeit die Entlassung. Ein Anwalt erklärt im Interview, was Arbeitnehmern an Abfindung zusteht – und welche Unternehmen am meisten zahlen

Zum Artikel

Wie schlecht steht es um die FTI Group – und sollte man dort buchen?

Der Reiseveranstalter FTI steht unter großem finanziellen Druck. Reisebüros sind inzwischen vorsichtig und bieten die Urlaube nur noch auf Kundenwunsch an. Was im Falle einer Insolvenz mit Reisen passiert und was jetzt bei der Planung sinnvoll ist

Zum Artikel

Haus und Wohnung: Bestimmen Sie jetzt den Wert Ihrer Immobilie (C+)

Mit Capital PLUS können Eigentümer den Wert Ihrer Immobilie in wenigen Schritten selbst ermitteln. Erfahren Sie jetzt, wie viel Ihr Haus oder Ihre Wohnung wert ist

Zum Artikel
Capital
813663bc-505a-417a-9055-a767fc5c86ed.png 153b4f33-f20e-4c31-927f-e0c3c2578698.png 1dbb637b-5438-46e6-9b9d-6b816083757d.png f0dcd58e-c231-44e3-a35b-608d0e01182c.png

Diesen Newsletter in Ihrem Browser anzeigen