je lokaler Abstimmungen über Volksvertreter sind, desto weniger scheinen sich die Wähler um die Berichterstattung über ihren Wunschkandidaten für ein bestimmtes Amt zu scheren. Denn abseits der Schlagzeilen in irgendwelchen Gazetten und ungeachtet der Etiketten, die einem Kandidaten von Journalisten verpasst werden, müssen die Wähler ja nur vor die Türe gehen, um sich selbst ein Bild über Erfolg und Misserfolg ihrer politisch Verantwortlichen vor Ort zu machen. Mit Blick auf die Wiederwahl mit Ansage von Boris Palmer lässt sich deshalb feststellen: Das grüne Enfant Terrible scheint im Rathaus seiner Stadt bisher einen richtig guten Job gemacht zu haben. Mit 52,4 Prozent wurde Palmer am Wochenende im ersten Wahlgang als Oberbürgermeister von Tübingen bestätigt. Dabei hat er in der eigenen Partei wegen seiner Aussagen über Asylbewerber und zur Corona-Politik nur wenig Rückendeckung. Mehr noch wurde zuletzt sogar versucht, Palmer wegen seiner streitbaren Positionen aus der Partei zu ekeln. Seine Parteimitgliedschaft ruht derzeit sogar, weshalb er offiziell als parteilos zur Wahl angetreten ist; geschadet hat ihm das aber nicht. Cicero-Autor Mathias Brodkorb schreibt in „Der Triumph des Boris Palmer“ über die Wiederwahl eines Grünen, die gleichzeitig eine Schlappe für die Grünen ist. Nicht von den Wählern gewählt, sondern von den britischen Konservativen im Parlament bestimmt: der neue Parteichef Rishi Sunak. Nach Boris Johnson und der überraschend schnell gescheiterten Liz Truss, soll er die tief zerstrittenen Tories wieder einen und sein Land in die Zukunft führen. Denn als neuer Parteichef wird Sunak auch automatisch zum neuen Regierungschef. Damit hat das Vereinigte Königreich nun seinen ersten Hindu als Premierminister. London-Korrespondentin Tessa Szyszkowitz fragt bei aller Hoffnungsträger-Attitüde Sunaks: Wie lange hält er durch? Weltweit führt der russische Angriff auf die Ukraine zu Verwerfungen. Der Konflikt scheint nur Verlierer zu kennen, mit einer Ausnahme: die Wachstumsökonomien aus Südostasien, die in einer gespaltenen Welt die Großmächte gegeneinander ausspielen. Felix Lill ist als Journalist und Autor spezialisiert auf Ostasien und erklärt, warum Albert Park, Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank, glaubt: „Diese Region wird gut durch die Krise kommen.“ Noch einer, der sich gut auskennt in der Ecke, ist Cicero-Autor Philipp Mattheis, Herausgeber von BlingBling, einem wöchentlichen Newsletter über Bitcoin, Geld und Freiheit, sowie von November 2019 bis März 2021 Ostasien-Korrespondent von Stern und Capital in Shanghai. In der vergangenen Woche hat die amerikanische Regierung ein Gesetz erlassen, das einem Chip-Embargo gegen China gleichkommt. Und das inmitten einer Zeit, in der es ohnehin bereits große Spannungen um die globale Vormachtstellung in der Chip-Industrie zwischen den USA und der Volksrepublik gibt. Im günstigeren Fall führen diese in den nächsten Jahren zu mehr Inflation, im schlimmsten Fall zu Krieg, schreibt Mattheis. Mein Kollege Moritz Gathmann, Chefreporter bei Cicero, war kürzlich erneut in der Ukraine, um sich selbst ein Bild vom Bruderkrieg zu machen. Dieser wird aber nicht nur mit Raketen und Panzern geführt, sondern auch mit ganz viel Propaganda; ehrlicherweise auf beiden Seiten. Russland beschuldigt die Ukraine nun, eine „schmutzige Bombe“ einsetzen zu wollen – um dann dem Kreml die Schuld in die Schuhe zu schieben. Es ist eine weitere russische Volte des Informationskriegs. Die Hintergründe lesen Sie hier. Derweil fehlt dem viertgrößten Industrieland der Welt eine Perspektive für die Energieversorgung der nächsten Dekaden. Die Rede ist von Deutschland. Doch die Bundesregierung hangelt sich nur von einem kurzfristigen Kompromiss zum nächsten und strategische Linien fehlen. Sich allein auf den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren zu verlassen, ist keine Lösung, analysiert Stefan Kooths, Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft und Leiter des dortigen Forschungszentrums „Konjunktur und Wachstum“, in seinem Gastbeitrag „Deutschland hat keine Energiestrategie“. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Redakteur |