Liebe Frau Do, es sind Verlierer, die gestern von einem „guten Ergebnis“ sprachen, „Erleichterung“ ausdrückten und ihre „gute Bilanz“ lobten. Der geneigte Fernsehzuschauer wunderte sich. Denn sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen haben die einst stolzen Volksparteien CDU und SPD bei den Landtagswahlen verloren. Mal wieder. In Sachsen muss der regierende CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer fast sieben Prozentpunkte im Vergleich zur vorigen Landtagswahl abgeben und kann sich womöglich nur mit einer Dreier-Koalition im Amt halten. In Brandenburg verliert die ebenfalls regierende SPD mit ihrem „Spitzenmann“ Dietmar Woidke fast sechs Prozentpunkte und liegt nur noch bei rund 26 Prozent. Man muss sich vorstellen, dass in beiden Bundesländern der Amtsbonus nahezu völlig ausgeblieben ist. Auch die Bundesparteien konnten ihren Landesverbänden nicht helfen, im Gegenteil. Wir erleben die Pulverisierung der alten Gewissheiten, die neue Bewegung im Osten ist blau, und sie ist besorgniserregend. Denn der wahre Gewinner bei beiden Landtagswahlen ist eine Partei, die 2014 eigentlich schon tot war: die AfD. Zweistellige Zuwächse in beiden Ländern, die übrigen Parteien müssen alle Kräfte und womöglich drei Parteien aufbieten, wenn sie gegen die AfD regieren wollen. Die minimalen Gewinne der Grünen sind dagegen kaum der Rede wert angesichts ihres Höhenflugs im Westen. Die FDP bleibt Splitterpartei im Osten. Auch die Linke verliert. Was ist nur in diesem Land los? In Sachsen und in Brandenburg hat jeder vierte Wähler eine Partei gewählt, in der Funktionäre offen gegen Fremde polemisieren, das Dritte Reich verharmlosen und ihren Hass auf die Eliten in Politik und Medien kultivieren. Andere Themen hat sie meist nicht zu bieten. Die AfD hat in manchen Regionen Volksparteicharakter, über 40 Prozent der Stimmen. Das bedeutet Einfluss, Ämter, Funktionen, auch Geld für die Partei. In diesen Gegenden bildet die AfD mit ihrem Gedankengut fast die Mehrheitsgesellschaft. Wie konnte es soweit kommen? Wie gehen wir damit um? Wieso schaffen es die etablierten Parteien nicht, diese rechtsnationale Partei herunterzudrücken? Umfragen bei der Wählerschaft zeigen, dass nur ein harter Kern rechtsextrem denkt. Die meisten AfD-Wähler geben an, den etablierten Parteien mit der Wahl der AfD einen Denkzettel verpassen zu wollen. Sie fühlen sich übergangen, nicht gehört, belehrt. Nicht nur, aber vor allem beim Thema Migration. Sie fühlen sich nicht ernst genommen mit ihren Ängsten. Es ist dramatisch, aber aus meiner Sicht bekommen wir viele dieser Frustrierten nur wieder in die Mitte dieser Gesellschaft zurück, wenn die Parteieliten in CDU und SPD die Themen offen ansprechen, argumentieren, zuhören und neue Formate des Diskurses etablieren. Beschimpfungen und Ausgrenzung haben bislang jedenfalls nicht zu einem Schrumpfkurs bei der AfD geführt. Eva Quadbeck kommentiert die Ergebnisse aus Sachsen und Brandenburg. Jan Drebes und Gregor Mayntz waren für sie an verschiedenen Orten, um Stimmungen einzufangen, Kristina Dunz analysiert die Auswirkungen auf die Groko. Wir haben am vergangenen Wochenende die Wiese vor dem Düsseldorfer Landtag zu einem Ort der Diskussion für eine bessere Gesellschaft gemacht und in zahlreichen Workshops, Panels und Foren mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, über Medien und Meinungsmacher, über Demokratie und Klimawandel, über Europa und Digitales gesprochen. Es war spannend, lebhaft und vor allem lehrreich. Mehr als 10.000 Zuschauer waren an zwei Tagen dabei, das RP-Campfire-Team hat alles zusammengefasst. Ein Open-Air-Konzert am Baldeneysee wurde am Wochenende von einem schweren Gewitter überrascht. 28 Menschen wurden verletzt, zwei schwer. Die Verantwortlichen weisen die Kritik, dass die Veranstaltung nicht abgesagt wurde, zurück. Merlin Bartel und Helene Pawlitzki fragen nach. Herzlich Ihr Michael Bröcker Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |