BfN Pressemitteilung

Bonn, 13. Februar 2017: Königsröhrling, Wiesen-Champignon und
Burgunder-Trüffel - das sind nur drei von über 6.000 Arten, die auf der
neuen Roten Liste der Großpilze vertreten sind. Mit der Veröffentlichung
von Band 8 der "Roten Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze
Deutschlands" legt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) jetzt auch
erstmals eine Gesamtartenliste für heimische Ständer- und Schlauchpilze
vor. Die Informationen hatte die Deutsche Gesellschaft für Mykologie
(DGfM) zusammengetragen.

"Die größte Gefahr für die heimischen Großpilze besteht derzeit in der
intensiven Landnutzung in der Forst- und Landwirtschaft. Die immensen und
anhaltenden Überfrachtungen mit Nährstoffen beeinträchtigen die Pilze
nicht nur über den Boden, sondern auch über die Luft - und das sogar in
Schutzgebieten", sagt BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel.

Die Großpilze gehören zu den beiden artenreichsten Gruppen der Echten
Pilze, den Ständerpilzen (Basidiomycota) und den Schlauchpilzen
(Ascomycota). Für 3.025 der in der Liste enthaltenen 6.120 Arten konnte
die Gefährdungssituation aufgrund der vorhandenen Daten bewertet werden.
Über 27 Prozent dieser Arten sind bestandsgefährdet. Weitere 728 Arten
sind aufgrund ihrer extremen Seltenheit latent bedroht. Bei etwa der
Hälfte der Pilzarten reichten die bisherigen Kenntnisse für eine
Bewertung noch nicht aus.

In den Ökosystemen nehmen Pilze vielfältige und wichtige Funktionen wahr.
Sie sind als Zersetzer wesentlich am Stoffkreislauf beteiligt, sind aber
auch Symbiosepartner von etwa 90 Prozent aller Landpflanzen. So bilden
sie Lebensbereiche und Nahrungsbasis für Pflanzen und Tiere. Als
Bioindikatoren können sie wichtige Hinweise über die Luftqualität oder
die Lebensraumqualität von Wäldern geben. Daher sind Kenntnisse über die
Bestandssituation und Gefährdung der Pilze für den Naturschutz und
darüber hinaus von großer Bedeutung. Im Verhältnis zum Forschungsaufwand
bei Pflanzen und Tieren wurde die Organismengruppe der Pilze lange
vernachlässigt. Jetzt bietet Band 8 der Roten Listen einen umfassenden
Überblick über den Bestand und die Gefährdung der Großpilze Deutschlands.
Es werden Wissensdefizite und Forschungsbedarfe aufgezeigt, die
wesentlichen Gefährdungsursachen genannt und daraus Handlungsempfehlungen
abgeleitet. Zudem enthält der Band eine detaillierte Einführung in die
Biologie und Bedeutung aller Pilze und pilzähnlichen Gruppen.

Die Datenbasis für die Rote Liste wurde im Wesentlichen von mehreren
Hundert Amateur- und Freizeitmykologinnen und -mykologen der DGfM
(www.dgfm-ev.de) durch ihre Kartierungstätigkeit geschaffen. Die aktuelle
Rote Liste der Großpilze ist somit auch ein hervorragendes Beispiel für
das Engagement und die Arbeit, die Ehrenamtliche im Naturschutz leisten.
Die Auswertung und Qualitätssicherung der Daten erfolgte durch den
Fachausschuss "Naturschutz und Kartierung" der Gesellschaft.
Verbreitungsdaten und Bilder von Pilzen sind auf der Internetplattform
www.pilze-deutschland.de veröffentlicht.

Bezug:
Matzke-Hajek, G.; Hofbauer, N. & Ludwig, G. (Red.) (2016): Rote Liste
gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 8: Pilze (Teil
1) - Großpilze. - Münster (Landwirtschaftsverlag). - Naturschutz und
Biologische Vielfalt 70 (8): 440 S. (ISBN 978-3-7843-5454-5), Preis:
39,95 €

BfN-Schriftenvertrieb - Leserservice - im Landwirtschaftsverlag GmbH,
48084 Münster
Tel.: 02501/801-300
Fax: 02501/801-351
http://www.buchweltshop.de/bundesamt-fuer-naturschutz.html

Hintergrund

Großpilze werden so genannt, weil die sporenbildenden Strukturen bei
ihnen eine gewisse Größe erreichen und somit auch ohne optische
Hilfsmittel im Gelände gut erkennbar sind. In der letzten Fassung der
Roten Listen 1996 wurden die Pilze noch unter den Pflanzen abgehandelt,
entsprechend ihrer traditionellen systematischen Stellung.
Ultrastrukturelle und molekulargenetische Untersuchungen haben in der
jüngeren Vergangenheit aber die bisherigen Klassifikationssysteme der
Pilze erheblich verändert. Erstmals kann im vorliegenden Band daher eine,
wenn auch vorläufige, Gesamtliste der Ständer- und Schlauchpilze
Deutschlands (ohne Flechten und phytoparasitische Pilze) vorgelegt
werden. Während für die letzte Rote Liste der Großpilze Deutschlands
insgesamt 4385 Taxa berücksichtigt wurden, konnten nun 6120 Taxa bewertet
werden. Damit ist ein beachtlicher Wissenszuwachs der Pilzflora
Deutschlands und ihrer Gefährdung dokumentiert. Der vorliegenden Analyse
liegen über 3 Millionen Datensätze zugrunde.

Boletus regius Krombh. - Königsröhrling (Rote Liste Status 2)
Der Königsröhrling war bereits in der Roten Liste der Großpilze von 1992
enthalten. Der Symbiont von Buchen und Eichen in wärmebegünstigten Lagen
benötigt wie viele andere Pilzarten nährstoffarme, weitgehend ungestörte
Bestände mit langer Habitattradition. Da insbesondere in Waldgebieten
kaum pilzrelevante Biotopkartierungen stattfinden, die schutzwürdige
Pilzarten erfassen, ist nicht ausgeschlossen, dass weiterhin wertvolle
Lebensräume in Unkenntnis zerstört werden. Insbesondere die als
artenreiche Lebensräume bekannten Waldränder werden durch angrenzende
Intensivlandwirtschaftsflächen mit den einhergehenden hohen
Nährstoffeinträgen stark beeinträchtigt. Für die weltweite Erhaltung des
Königsröhrlings besitzt Deutschland eine besonders hohe
Verantwortlichkeit.

Agaricus campestris L. - Wiesen-Champignon
Der Wiesen-Champignon besiedelt offenes Grasland wie Viehweiden und ist
in Deutschland insgesamt noch weit verbreitet. In einigen Bundesländern
wie etwa in Niedersachsen und Thüringen musste der beliebte Speisepilz
aufgrund massiver Arealverluste, zum Beispiel durch Aufforstung von
Wiesen, jedoch in die Roten Listen aufgenommen werden. Während der große,
auffällige Hexenringe bildende Pilz durch Viehdung und traditionelle
Festmist-Düngung eher gefördert wurde, verschwindet er nach einigen
Güllegaben auf Intensivgrünland. Intensive Landwirtschaft und
Massentierhaltungen mit den einhergehenden Nährstoffüberschüssen stellen
eine ernstzunehmende Bedrohung für die Biodiversität dar.

Tuber aestivum Vitt. - Sommer- oder Burgunder-Trüffel
(Rote Liste Status 3)
Aus der Gattung Tuber - Echte Trüffeln, sind in Deutschland derzeit 23
Arten und Varietäten nachgewiesen. Alle Arten der Gattung Tuber sind
derzeit durch die Bundesartenschutzverordnung streng geschützt, weil zum
Entscheidungszeitpunkt Ende der 1980er Jahre nur sehr wenige
Beobachtungsdaten vorlagen. Auch wenn sehr viele Pilzarten in Deutschland
in den letzten 150 Jahren hohe Arealverluste hinnehmen mussten, sind
einige Trüffelarten wie die Sommer- oder Burgunder-Trüffel, in
Deutschland die einzige wildwachsende, marktrelevante Art, in
basenreichen Gebieten weit verbreitet. Sie waren jedoch durch
Flächenverluste von Laubwäldern in der Vergangenheit gefährdet. Fakt ist
aber auch, dass Pilze durch Ernten der Fruchtkörper kaum beeinträchtigt
werden. Eine andere Frage ist, ob man die Sammeltätigkeiten aus Gründen
des Lebensraumschutzes einschränken sollte.

Diese Pressemitteilung finden Sie auch unter:
http://www.bfn.de/0401_pm.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=5997


Hrsg: Bundesamt für Naturschutz
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