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Wochenende Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Samstag, 31.10.2020 | Grau, nass und windig bei höchstens 14°C. | ||
+ Welchen Weg das Horoskop dem BER prophezeit hat + Der legendäre BER-Count-up wird abgestellt + Warum die Flughafengesellschaft sich beim Presserat über den Checkpoint beschwert + |
von Lorenz Maroldt |
Guten Morgen, als Geburtsstunde des BER gilt der 16.3.2006, 11 Uhr – an diesem Tag bestätigte das Verwaltungsgericht die Standortwahl. Kurz nach dem Urteil gab Checkpoint-Leserin Marion Uhrig-Lammersen ein Horoskop für den neuen Flughafen in Auftrag (Tierkreiszeichen Fisch). Es ist wirklich verblüffend, was der Astrologe damals in den Sternen sah und auf 40 Seiten notierte – wie eine vorweggenommene kleine Geschichte des BER, der damals den ersten Spatenstich noch vor sich hatte. Schauen wir doch mal rein: + „In Ihrem Energiehaushalt besteht eine Spannung, die Sie zuweilen zu abrupten Umbrüchen veranlasst. Ihre Handlungsweise hat etwas Unvermitteltes, Sprunghaftes an sich.“ + „Manchmal sprengen Sie Ihre Basis total, und wenn sich der Rauch der Explosion verzogen hat, stehen Sie ein bisschen angesengt im Hemd.“ + „Sie sind konfrontiert mit all Ihrer Verzweiflung, Ihrer Hoffnungslosigkeit und Ihren Versagensängsten. Erst wenn diese willig durchlitten sind, lösen sich Ihre Blockaden, Ihre Kreativität fließt wieder.“ + „Sie sind bereit, mit Drachen und Dämonen zu kämpfen, denn im Innersten wissen Sie, dass in Wahrheit Licht und Verwandlung möglich ist. Für Ihren Weg brauchen Sie das Vertrauen, dass der Tunnel ein Ende hat.“ + „Sie werden nicht lockerlassen, bis Sie Ihre Berufung gefunden haben.“ Und heute ist es tatsächlich soweit: Die Drachen und Dämonen sind ebenso besiegt wie „das Monster“ (das sich eingeschlichen hatte unter dem Pseudonym „Entrauchungsanlage“), auf dem schmalen Rest des Vertrauens von Gesellschaftern und Aufsichtsräten balancierte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup ins Ziel: Pünktlich zu Halloween und kurz vor dem nächsten Lockdown eröffnet der BER – als Geisterflughafen. Im chinesischen Horoskop ist der BER übrigens ein Hund, und über den heißt es 2020, im Jahr der Ratte: „Sie werden endlich alles unter Kontrolle haben, sich motiviert und voller Energie fühlen. Genießen Sie das Leben und denken sich nicht die gesamte Zeit darüber nach, Single zu sein.“ Und das ist für den BER, der das „Single-Airport-Konzept“ Berlins vollendet, gerade in Zeiten coronal bedingter Vereinzelung nicht der schlechteste Rat. Zur Verantwortung gezogen wurde übrigens niemand für das teure Desaster, auch das war im Horoskop weise vorhergesagt: „Sie setzen Ihr individuelles Sein in Bezug zu universellen Zusammenhängen“ – Schicksal eben, oder wie es in Berlin so schön heißt: Tja, da kannste nix machen. (Langfassung der Horoskope hier) | |||||
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Für den Checkpoint-Podcast „Eine Runde Berlin“ von Ann-Kathrin Hipp konnten wir einen entspannt wirkenden Engelbert Lütke Daldrup kurz vor der Eröffnung noch einmal durch den fast leeren, aber blitzblanken BER begleiten. Sein Fazit mit einem Blick zurück und nach vorn (letzteres zur beruflichen Zukunftsfrage, zu der er sich ansonsten nicht äußert): „Ein Flughafen macht immer Spaß.“ Und versöhnlicher wird’s heute nicht mehr. Auszüge des Gesprächs finden Sie heute auch im Tagesspiegel auf Seite B2 und hier bei T+ (Abo). | |||||
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Pünktlich zur BER-Eröffnung haben wir „Eine Runde BERlin“ mit Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup gedreht. Die ganze Podcastfolge gibt’s jetzt auf Spotify, Apple Podcasts, Tagesspiegl.de (oder für AbonnInnen über den roten Button). | |||||
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Vor seiner Ernennung zum Flughafenchef war Lütke Daldrup Staatssekretär in der Senatskanzlei und Flughafenkoordinator des Regierenden Bürgermeisters – die BER-Eröffnung ist also auch Michael Müller zu verdanken: Das Copyright der Schlüsselpersonalie liegt im Roten Rathaus. Engelbert Lütke Daldrup sagt heute: „Ich konnte mich der Verantwortung nicht entziehen. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, bevor ich zugesagt habe, wenige haben mir dazu geraten. Trotzdem wusste ich: Du kannst nicht Nein sagen.“ (Q: CP-Podcast „Eine Runde Berlin“). Was für ein Glück – auch für den Regierenden Bürgermeister. Wir haben Michael Müller gefragt, mit welchem Gefühl er heute zur BER-Eröffnung geht, was ihn in der Bauphase bedrückt hat und was er sich für den Flughafen wünscht. Hier seine Antworten für den Checkpoint: + „Trotz der schwierigen Baugeschichte überwiegt die Freude“. + „Bedrückend war die internationale Reaktion, dass auch deutschen Unternehmen nichts mehr zugetraut wurde.“ + „Ich wünsche mir vor allem nach Corona einen Push für Arbeitsplätze und Investitionen.“ | |||||
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Was machen eigentlich die Herren, die vor Lütke Daldrup am Werk waren? Wir haben sie gefragt – der Titel der Geschichte, die Sie hier lesen können (Abo): „Boys don‘t fly“: Und eine Chronologie der vergangenen 25 BER-Jahre mit allen Protagonisten in 100 Schlagzeilen finden Sie hier. | |||||
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Jahrelang wurde der BER als Parabel auf Berlin gesehen, noch vor wenigen Tagen zitierte die „New York Times“ Ex-Botschafter John Kornblum mit der Allegorie „charmant, respektlos, exzentrisch und völlig dysfunktional“ (CP v. 26.10). Tja, und was nun, da der BER fertig ist, die Stadt aber dazu verdammt bleibt, „immerfort zu werden und niemals zu sein“ (Karl Scheffler?). Was bedeutet die Eröffnung für Berlin? Der Flughafenchef selbst hält jede Art dieser Symbolik für übertrieben, und wahrscheinlich hat er recht: Ein Flughafen ist ein Flughafen, oder, in der kontemporären Form, eine Shoppingmall mit angeschlossener Startbahn. Außerdem ist der BER sowieso nur zu 33% ein Berliner. Der Rest geht auf Brandenburg und den Bund, aber wer mag über die schon lachen? Berlin bleibt eben doch Berlin. | |||||
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Was nicht bleibt, ist eine Institution, die den BER seit dem Nichteröffnungsdesaster 2012 tagtäglich treu begleitet hat (und die zum Gründungsmythos des Checkpoints gehört): Wir ziehen heute unserem legendärer BER-Count-up den Stecker. 3037 Tage lang hat er tapfer und ohne Panne seinen Dienst verrichtet (na gut: fast ohne). Aufsichtsräte, Geschäftsführer, Technikchefs, Ministerpräsidenten und Regierende Bürgermeister kamen und gingen – der BER-Count-up bleib. Er war unser Begleiter durch lange Checkpoint-Nächte und berauschende Checkpoint-Partys, ein tickendes Mahnmal deutscher Ingenieurskunst, politischen Kontrollverlustes und roter Zahlen (jeder Tag seit Nichteröffnung steht für den Verlust von 1 Mio Euro). Jetzt nehmen wir etwas wehmütig, aber erleichtert und auch mit Freude Abschied: Es ist vollbracht – wir haben den BER an den Start gezählt. Mal sehen, was als nächstes kommt (die Höhe von Kofferbergen vielleicht – das aber sicher erst nach Corona). | |||||
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Mit Tagesspiegel Plus lesen Sie in der Aboversion des Checkpoints außerdem: + Coronavirus: Wie der Regierende Bürgermeister die Lage einschätzt. + Post vom Tankstellenverband: Warum die Tankstellenpächter Dilek Kalayci mit Klage drohen. + Corona-Infektionen: Wie oft sich der Übertragungsweg in Berlin noch nachvollziehen lässt. +Corona-Segregation: Wer jetzt bei Rewe nicht mehr in den Laden soll. + Sondersitzung im Abgeordnetenhaus: Zu welchem Thema Bettina Jarasch ihre erste Rede als Spitzenkandidatin hält. + Interessante Personalie: Warum die Flughafengesellschaft den Checkpoint beim Presserat anschwärzt. + Mord an Samuel Paty: Der französische Bildungsminister schlägt eine europaweite Schweigeminute in Schulen vor. + Trauer um Peter Grottian: Der Kult-Professor vom Otto-Suhr-Institut ist im Alter von 78 Jahren verstorben. +Vogel des Jahres: Wer bei der Online-Umfrage vorne liegt. Tagesspiegel Plus können Sie jetzt ganz einfach 30 Tage kostenlos testen. | |||||
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