| | | | | 4. Mai 2025 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| | | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | ein Blick zurück, nach 80 Jahren â und ein Blick voraus: Am 8. Mai 1945 kehrt der junge Soldat Hans Schnitzler heim in den Trümmerhaufen, der von der Stadt Köln übrig geblieben ist. Hans Schnitzler hatte sich in den letzten Kriegstagen von der Truppe abgesetzt; er trägt das Testament eines Kameraden bei sich und übergibt es dessen Witwe; sie will das beträchtliche Vermögen für wohltätige Zwecke verwenden. Ein geldgieriger Dr. Fischer, der das Geld für den Wiederaufbau des Familienbetriebs kassieren will, weià das zu verhindern: Das Testament wird vernichtet, die Witwe entmündigt. Der Schriftsteller Heinrich Böll begleitet Hans Schnitzler auf seinem Weg in die Keller der zerbombten Häuser. Er folgt ihm bei seiner animalischen Jagd nach Brot, nach Kohlen, nach einem trockenen Bett, nach Zigaretten und nach Liebe. Der Roman, den Böll daraus machte, war sein erster; er heiÃt: âDer Engel schwiegâ. Wir lesen, wie Hans Schnitzler die Stelle wiederfindet, an der das Mietshaus stand, in dem er gewohnt hatte: âIrgendetwas veranlasste ihn, plötzlich Halt zu machen - und da war es: Er erkannte den Rest des Treppenhauses, stieg über die Trümmer langsam dorthin; er war zu Hause.â Zu Hause? Viele Heimkehrer hatten das Gefühl, dass es keine Heimat auf dieser Welt mehr gibt. Zu Hause: Das waren Gestank, Hunger, Diebstahl, Faustrecht und Betrug. Zu Hause: Das war die gemeine Erbschleicherei eines Dr. Fischer. Sie ist bei Böll das Symbol für das Scheitern der Humanität in der Nachkriegszeit. Im Inneren der Menschen setzte sich die äuÃere Verwüstung fort: Die Zukunft war ein bombentrichtergroÃes Loch. Es gab Ãberlebende wie Schnitzler, die, überwältigt vom Sterben ringsum, die Toten beneideten und es nur allmählich wagten, das Leben wieder anzunehmen. Und es gab die anderen, die mit dem abwaschbaren Gewissen. In dieser Zeit entstand das Grundgesetz. Und in dem Satz, mit dem es, kurz wie eine SMS, beginnt, steckt das Entsetzen über die Nazibarbarei: âDie Würde des Menschen ist unantastbar.â Ein Verbotsverfahren gegen die AfD Wie geht Erinnerung nach achtzig Jahren? Richard von Weizsäcker hat das so formuliert: âErinnern heiÃt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des Inneren wird.â Ehrlich und rein - wie geht das? Wie geht das im Jahr 2025, achtzig Jahre nach dem Kriegsende? Auf diese Frage versuche ich heute in meinem SZ-Plus-Text eine Antwort zu geben: Befreiung bedeutet heute, die Instrumente gegen verfassungsfeindliche Parteien und Politiker zu nutzen, die das Grundgesetz zur Verfügung stellt: Es geht erstens um das Verbot der Wählbarkeit rechtsextremer und grundrechtsfeindlicher AfD-Politiker und es geht zweitens und vor allem um das Verbot der AfD. Ein Verbotsverfahren gegen diese als âgesichert rechtsextremistischâ geltende Partei findet jetzt hoffentlich die erforderliche Zustimmung in Bundestag, Bundesrat und/oder Bundesregierung â nach dem vom Bundesamt für Verfassungsschutz vorgelegten 1100-Seiten-Gutachten. | |
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| | | Erinnerung ist die Unruhe, die einen packt ⦠wenn die AfD Wahlerfolge feiert | | |
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| In dieser Woche wird der neue Kanzler gewählt. Ich wünsche uns eine Woche, in der wir spüren, was eine lebendige und wehrhafte Demokratie ist und was sie braucht. Sie braucht Selbstbewusstsein. Dazu gehört das Verbotsverfahren. Ihr | |
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | | | | | | Das Kreuz mit dem Kreuz | | Wer den Jesuitenpater Andreas Batlogg noch nicht kennt, wird ihn jetzt kennenlernen: Batlogg analysiert und kommentiert in den nächsten Tagen (oder Wochen?) für das ZDF die Papstwahl im Vatikan. Batlogg ist ein groÃer Kenner der innerkirchlichen Machtverhältnisse, er kennt die Vorder- und die Hintergründe des Konklaves - und er kennt sich beeindruckend gut aus in den Fragen des Glaubens und des Nichtglaubens. Davon handelt sein jüngstes Buch; es heiÃt âJesus glaubenâ. Batlogg stellt viele gute Fragen und beantwortet sie klug. Glauben Christen, was sie im Glaubensbekenntnis bekennen? Ist ihnen bewusst, was sie da sagen? Kann sich jeder Christ zurechtrücken, was Gott ist? Müssen alte Formeln bestehen bleiben oder in eine zeitgemäÃe Sprache transferiert werden? Schaffen Ãbertragungen des Glaubenskerns in Poesie oder in Dialekt mehr Nähe, mehr Klarheit, mehr Zugang? Wie gespalten die Christenheit ist, veranschaulicht Batlogg an der Kreuzweggestaltung des Priesterkünstlers Sieger Köder (1925 â 2015). Der stellte in seiner Heimatstadt im baden-württembergischen Wasseralfingen die Station âJesus wird seiner Kleider beraubtâ als Einzelbild mit dem Titel âZerrissener Mantelâ dar. Um Jesus' Gewand ohne Naht, das die unteilbare Kirche Christi symbolisiert, streiten sich ein protestantischer Pfarrer im Talar, ein orthodoxer Pope im goldglänzenden Ornat, ein katholischer Bischof (Papst?) mit Messgewand und Mitra sowie ein Revolutionär mit roter Flagge, der sich auf Jesus beruft. âKeiner befeindet mehr den anderen, man lebt allein und fromm vor sich hin. Weil aber jeder in seine Richtung zeigt, entsteht ein neues Kreuz: das Kreuz der fortgesetzten Spaltung, das Gegenteil von dem, was Jesus wollte. Jesus steht halbnackt und traurig in der Mitte der vier Gestalten.â Von einem gemeinsamen Glaubensbekenntnis sind die christlichen Kirchen noch weit entfernt. Andreas R. Batlogg: Jesus glauben. Wie alte Formeln lebendig werden. Das Essay ist 2025 als Hardcover erschienen im Matthias Grünewald Verlag. Es hat 144 Seiten und kostet 19 Euro. | | | | |
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| | | | | Stimme der Humanität | | Soeben auf dem Kirchentag in Hannover wurde die US-Bischöfin Mariann Edgar Budde mit Standing Ovations begrüÃt: als mutige Stimme in schwierigen Zeiten. Budde habe, so hieà es, beim Gottesdienst zum Amtsantritt des US-Präsidenten Trump gezeigt, wie man klar Position beziehen könne, ohne den anderen zu verurteilen. Die zierliche Bischöfin hatte in ihrer Predigt den Präsidenten ins Gebet genommen. Sie bat Trump um Gnade für jene Menschen, die keinen Platz mehr in Amerika haben sollen, seitdem er an der Macht ist. âGnade, Erbarmen, Menschlichkeit â drei Wörter, für die Donald Trump und sein Vize J.D. Vance nichts als Verachtung übrig habenâ, wie der SZ-Kollege Hilmar Klute in seinem meisterhaften Porträt der Bischöfin Budde schreibt. Ihre Predigt, so Klute auf der Seite Drei der SZ vom Freitag, 2. Mai, wird âwomöglich einmal zu den groÃen Reden der amerikanischen Geschichte gezählt werdenâ. Und Klutes Text wird als Exempel für eine packende Analyse auf den Tischen der Journalistenschulen liegen.
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| | | | | Meinung | | Kommentare, Kolumnen, Gastbeiträge und Leserdiskussionen im Ãberblick | |
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