Newsletter, 27.06.2020 Ausbildung oder Studium? Über Alternativen in Coronazeiten – die Fachjournalistin Isabell Pohlmann zum Thema |
Interview mit der Fachjournalistin Isabell Pohlmann Isabell Pohlmann ist Fachjournalistin für Finanz- und Verbraucherthemen. Für die Verbraucherzentrale hat sie den Ratgeber "Ausbildung und Studium. Geld, Recht, Versicherungen in einer spannenden Zeit" verfasst.
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Sommerferien … und dann der Start in einen neuen Lebensabschnitt. Wo sich sonst schon viele Fragen stellen und an diverse Dinge gleichzeitig zu denken ist, macht es in diesem Jahr die Corona-Pandemie jungen Leuten noch einmal schwerer, vor allem denen, die nach dem Schulabschluss ins Ausland gehen möchten. Wir haben Isabell Pohlmann zu Alternativen zu Ausbildung und Studium gefragt: Was ist jetzt zu tun in der Warteschleife?
Frau Pohlmann, welche Möglichkeiten haben Jugendliche nach der Schule, falls sie nicht sofort eine Ausbildung oder ein Studium beginnen wollen? Sie können zum Beispiel ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren oder sich im Bundesfreiwilligendienst engagieren. Oder sie nutzen die Zeit für Praktika, zum Beispiel, wenn sie noch unsicher sind, in welche Richtung es beruflich gehen soll. Im Normalfall ist diese Übergangsphase auch eine gute Gelegenheit, längere Zeit im Ausland zu verbringen, etwa zum Work-and-Travel. Aber hier sind die Voraussetzungen in diesem Jahr natürlich deutlich schwieriger als sonst.
Was müssen Jugendliche grundsätzlich beachten, wenn sie sich nicht sofort für Ausbildung oder Studium entscheiden? Wo lauern Gefahren? Wer längere Übergangsphasen hat, sollte einplanen, dass eventuell der Anspruch auf Kindergeld entfällt. Die Familienkasse zahlt Kindergeld für ein volljähriges Kind, wenn es sich in der Ausbildung befindet oder sich ernsthaft um einen Ausbildungs- oder Studienplatz bemüht. Wartezeiten von bis zu vier Monaten sind hier aber grundsätzlich anerkannt. Für alle, die die Übergangsphase zum Jobben oder für Praktika nutzen, ist es hilfreich, wenn sie sich vorab informieren, mit welchen Abzüge von ihrem Verdienst sie rechnen müssen: Wie viele Steuern werden fällig und welche Sozialabgaben sind zu zahlen? Manchmal lohnt es sich zum Beispiel, kürzer als länger zu arbeiten, weil sich dann Sozialabgaben umgehen lassen. Im Normalfall gilt, dass jemand bis zu drei Monate am Stück oder 70 Tage im Jahr eine saisonale Beschäftigung übernehmen kann, ohne dass für den Verdienst Sozialversicherungsbeiträge fällig werden. Aufgrund der Corona-Krise gelten hier derzeit sogar etwas längere Fristen. Auch deshalb lohnt es, sich vor Jobantritt nach den genauen Bedingungen zu erkundigen, zum Beispiel beim Arbeitgeber oder bei der eigenen Krankenkasse.
Was genau sind die Unterschiede zwischen einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), einem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) und dem Bundesfreiwilligendienst? Organisatorisch gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen den Programmen, zum Beispiel, dass die Teilnehmer ein Taschengeld und während des Jahres pädagogische Unterstützung erhalten. Einen entscheidenden Unterschied gibt es aber doch: Im FSJ und im FÖJ gibt es eine Altersbeschränkung – die Teilnahme ist nur möglich für diejenigen, die noch keine 27 Jahre alt sind. Beim Bundesfreiwilligendienst gibt es diese Obergrenze nicht. Inhaltlich kann es deutliche Unterschiede geben, je nachdem für welches Einsatzgebiet sich jemand entscheidet: Während der eine im Seniorenheim mit anpackt, führt ein anderer vielleicht Schulklassen durchs Wattenmeer. Um hinterher Enttäuschungen zu vermeiden, ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich vorab möglichst genau über die anstehenden Aufgaben zu informieren.
Frau Pohlamnn, was ist bei einem längeren Auslandsaufenthalt zu beachten? Egal, ob Reise, Work-and-Travel oder auch Au-Pair: Ein Auslandsjahr sollte auf jeden Fall gut und mit einigem Vorlauf geplant werden. Denn es sind viele Fragen zu klären, zum Beispiel: Soll das Ganze auf eigene Faust organisiert werden oder mithilfe einer Agentur? Wie steht es mit den Einreisebedingungen vor Ort, und wie lässt sich die Zeit im Ausland finanzieren? Wichtig ist zum Beispiel auch der passende Versicherungsschutz. So sollten zum Beispiel alle, die in Deutschland in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, für die Zeit im Ausland unbedingt eine private Auslandsreise-Krankenversicherung abschließen.
Wie läuft der Versicherungsschutz in der Zeit der Freiwilligendienste, beispielsweise in der gesetzlichen Krankenversicherung? Wer sich für einen Freiwilligendienst entscheidet, wird versicherungspflichtig in einer gesetzlichen Krankenkasse. Allerdings müssen die Freiwilligen die Beiträge nicht selbst zahlen, sondern die Einsatzstelle oder der Träger übernimmt die Beiträge zur Sozialversicherung. Während des Freiwilligenjahres besteht übrigens weiter ein Anspruch auf Kindergeld.
Welche konkreten Tipps können Sie Jugendlichen geben? Gerade in diesem Jahr ist die Planung sicher nicht einfach – vor allem, wenn eigentlich ein Auslandsaufenthalt vorgesehen war. Hier heißt es erst einmal abwarten, was überhaupt möglich sein wird. Finanziell gilt: Wer längere Übergangsphasen hat, sollte einplanen, dass eventuell der Anspruch auf Kindergeld entfällt. Und beim Jobben empfiehlt es sich, vorab zu schauen, was vom Bruttogehalt nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben übrig bleibt. Manchmal kann es tatsächlich besser sein, weniger als mehr zu arbeiten. Liebe Frau Pohlmann, herzlichen Dank für das Gespräch.
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