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5 nach 12 - Was ist heute wichtig? Das Mittags-Update von WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt
Sehr geehrte Damen und Herren,
Karlsruhe hat gesprochen: Die anlasslose Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland verstößt in ihrer jetzigen Ausgestaltung gegen Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht gab heute einer Verfassungsbeschwerde der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen und mehrerer ausländischer Journalisten gegen das BND-Gesetz statt. Es muss nun bis spätestens Ende 2021 überarbeitet werden.

Die derzeitige Regelung sei aus formalen und inhaltlichen Gründen verfassungswidrig, sagte der künftige Gerichtspräsident Stephan Harbarth bei der Verkündung. Es sei aber möglich, das Gesetz verfassungskonform auszugestalten. In ihrem Urteil halten die Richter zum ersten Mal fest, dass der deutsche Staat das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit auch im Ausland wahren muss.

China, China, China: Kein anderes Land steht in der Coronakrise derart im Fokus wie der früher einmal „Reich der Mitte“ genannte kommunistische Gigant. Als Reaktion auf die Krise, die ihren Anfang wohl in China hatte, fordern Politiker, dass Unternehmen ihre Produktion von dort abziehen und wieder zurück nach Europa verlagern. Tatsächlich haben Firmen damit begonnen: Brüssel tut es, Paris tut es, und auch Berlin tut es. „Die Coronavirus-Krise hat deutlich gemacht, dass Europa sich zu sehr auf andere verlässt“, sagte jüngst ein EU-Kommissar. Europa müsse unabhängiger werden, nicht nur bei Medikamenten, sondern auch bei Schlüsseltechnologien.
 
Eine Neuordnung der Lieferketten könnte allerdings ganz andere Ergebnisse liefern als es sich Politiker in Berlin oder Paris ausmalen. Dass Unternehmen, die jahrzehntelang scharf gerechnet haben, wo sich die Produktion für sie am ehesten lohnt, jetzt plötzlich ihre Kalkulationen über Bord werfen und die Produktion nach Hause holen, um heimische Politiker glücklich zu machen – damit rechnen Investitionsexperten nicht. „Reshoring bleibt in West- und Nordeuropa in erster Linie ein Medienphänomen, da die Unternehmen infolge von Kostensteigerungen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel setzen würden“, heißt es in einer bisher unveröffentlichten Analyse von Experten der Deutschen Außenhandelsförderung Germany Trade and Invest.
 
Die Investitionsexperten erteilen vor allem deutschen Hoffnungen auf Rückkehrer eine Absage. Selbst wenn deutsche Unternehmen erwägen würden, zurück nach Europa zu kommen, seien Deutschland oder Frankreich vermutlich nicht das Ziel: „Ein Reshoring nach Deutschland ist nicht zu erwarten, dafür dürften mehr Firmen Standorte in Osteuropa und Südosteuropa wählen, um näher an den Kunden zu produzieren“, heißt es in der Analyse. Lesen Sie hier die ganze Story von Brüssel-Korrespondent Tobias Kaiser. 
China zum Zweiten: Der Umgang mit Corona lässt die Deutschen erheblich kritischer auf die USA blicken als noch vor einem Jahr – zugleich aber weniger skeptisch auf China. Die Bundesbürger sind inzwischen gespalten in der Frage, ob für Deutschland enge Beziehungen zu den USA oder zu China wichtiger sind. Danach gefragt, nennen 37 Prozent die USA und 36 Prozent China. Weitere 13 Prozent setzen auf beide Länder. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Washingtoner Meinungsforschungsinstituts Pew zusammen mit der Körber-Stiftung in Hamburg. US-Korrespondent Daniel Friedrich Sturm hat sie zusammengefasst. 
 
Das Interesse an einem Schulterschluss mit den Vereinigten Staaten hat damit erheblich nachgelassen. Noch im vorigen Jahr sprach sich jeder zweite Deutsche (50 Prozent) für ein enges Verhältnis mit den USA aus. Nur knapp jeder Vierte (24 Prozent) nannte hier China. 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges könnte man angesichts dieser Entwicklung fast schon von einem Niedergang der traditionellen transatlantischen Zusammenarbeit sprechen.
 
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Es geht um die Wurst: Die Art, wie in Deutschland Fleisch produziert und vermarktet wird, hat nach einem weiteren Corona-Ausbruch in einem Zerlegebetrieb eine heftige Debatte ausgelöst. Kritik entzündet sich an Preiskämpfen und Billigfleisch, die letztlich für unzureichende Arbeitsbedingungen verantwortlich gemacht werden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte ein hartes Durchgreifen an: „Es ist Zeit, in diesem Bereich aufzuräumen.“ Der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein brachte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch ins Gespräch, Grünen-Chef Robert Habeck forderte Mindestpreise.
 
Bei Industrie und Handel stößt Habecks Vorstoß auf harten Widerstand. Christoph Minhoff, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, sprach von einem „bösen Rückfall in vergangen geglaubten Ökopopulismus“. Fleisch gehöre zu ausgewogener Ernährung, „das sollte nicht nur dem zahlungskräftigen Teil unserer Gesellschaft vorbehalten bleiben“. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte, wichtiger als Mindestpreise sei eine Stärkung der heimischen Erzeugung: „Hierfür sind für unsere hochwertigen, heimischen Produkte höhere Preise notwendig.“
 
Heute jedenfalls beginnt in einem Coesfelder Werk wieder der Betrieb, zumindest testweise. Das stufenweise Hochfahren des Betriebes wird von Überwachungsbehörden begleitet. Wir halten Sie auf dem Laufenden und werden beobachten, wie sich das angekündigte Durchgreifen gestaltet.


Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag,
 

Ihr



Ulf Poschardt


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