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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 10.12.2021 | Kühl bei maximal 2 °C mit wenig Schnee. | ||
+ Durchschnittlich drei antisemitische Taten pro Tag in Berlin + Die rechten Spender des Humboldt Forums + Das „Free WiFi Berlin“-Projekt wird 2022 nicht weitergeführt + |
von Nina Breher |
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Guten Morgen, machen Sie es sich gemütlich. Ja, so richtig. Nehmen Sie die Corona-Variante Omikron zum Vorbild, die sich derzeit gemächlich in Berlin einnistet. Den Schnee, den das Tief „Justus“ heranschleppte und der gestern ganz entspannt liegen blieb. Oder Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke), der sich, frisch wiedergewählt, im Lichtenberger Rathaus einrichtet. Auch von Berlins neuestem tierischen Zuwachs, dem Fischotter, können Sie sich inspirieren lassen. Der war hier eigentlich seit den 60ern ausgestorben, findet es aber mittlerweile wieder ganz heimelig (Q: Stiftung Naturschutz, inklusive kompromittierender Fotos). Nur ein Jungotter warf sich etwas zu übermütig ins Großstadtgetümmel und wurde prompt am Alex überfahren. Berlin bleibt ein hartes Pflaster. Weniger rau landet vielleicht irgendwann Neukanzler Olaf Scholz (SPD) in Mitte – dank eines Hubschrauberlandeplatzes neben einem geplanten Kanzleramt-Anbau (mehr dazu unten). Andere verschwinden aus der Stadt, zum Beispiel das berühmte BVG-Sitzmuster. Auch dazu später mehr. Doch zunächst zu den ernsthafteren Problemen. | |||||
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Leider nicht verschwunden ist Antisemitismus – im Gegenteil. In Berlin sind antisemitische Taten deutlich angestiegen. Im ersten Halbjahr 2021 waren es 522 und damit 16,8 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres (447), wie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Rias mitteilt. Im Durchschnitt sind es drei pro Tag. 15 Prozent (78) aller registrierten Vorfälle wiesen einen Bezug zur „Querdenker“-Szene auf. „Wie bereits 2020 werden aus Teilen des ‚Querdenker‘-Milieus antisemitische Verschwörungsmythen propagiert sowie die Schoa und die NS-Zeit relativiert und bagatellisiert“, sagte Sigmount Königsberg, Beauftragter gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Zweitens häuften sich laut Rias antisemitische Vorfälle rund um den Israel-Palästina-Konflikt, der im Frühjahr erneut gewaltsam ausgebrochen war. | |||||
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Barocke Fassade, finanziert von neuen und alten Rechten? Im Zuge eines freundlichen Hinweises des Architekturhistorikers Philipp Oswalt im Tagesspiegel wurde im Oktober bekannt, dass einer der im neuen Stadtschloss mit einer Tafel geehrten Großspender rechtsradikale Positionen vertrat. Unter anderem leugnete er das Ausmaß des Holocaust. Das Humboldt Forum distanzierte sich, Ehrhardt Bödeckers Ehrentafel wurde entfernt. Nun werden immer mehr fragwürdige Großspender bekannt, die auf der Spendenliste stehen. Die Süddeutsche Zeitung hat sie aufgelistet: ++ Karl-Klaus Dittel – Stuttgarter Orthopäde und Mitgründer eines Vereins, der die AfD nicht nur mit Plakaten und Gratiszeitungen im Wert mehrerer Millionen unterstützte, sondern zudem anonymen AfD-Spendern illegale Parteispenden ermöglicht habe (Q: 3Sat-Kulturzeit). ++ Thomas Sambuc – hat dem Humboldt Forum nicht nur mindestens 100.000 Euro gespendet, sondern trat auch bei den Stuttgarter Gemeinderatswahlen 2019 für die AfD an. ++ „Gesellschaft Berliner Schloss“ – einer ihrer drei Vorstände ist der Berliner AfD-Politiker Daniel Krüger, ein weiterer der Architekturhistoriker Guido Hinterkeuser. Letzterer unterzeichnete eine Petition führender Neurechter gegen Einwanderung. ++ „Preußenabend München“ – laut Bayerischem Rundfunk treten in der Organisation Rechtskonservative, AfD-Politiker und Neonazis auf. ++ Claus Wolfschlag – Autor der rechten Zeitung „Junge Freiheit“. Außerdem hat auch die Zeitung selbst gespendet. ++ Rudolf-August-Oetker-Stiftung – Oetker war Industrieller und Mitglied der Waffen-SS. Bleibt abzuwarten, ob die von Spenden mitfinanzierte Fassade noch weiter bröckelt… | |||||
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Man sieht es immer seltener: das berühmte „Würmchen“-Sitzmuster der BVG (Symbolbild hier). Seit gestern, ca. 17 Uhr, kann man nicht einmal mehr Souvenirs davon kaufen. Und womöglich ist die Autorin dieses Newsletters auch noch schuld daran. Aber der Reihe nach. Im Mai hatte die BVG erklärt, das ikonische Sitzmuster auslaufen zu lassen. Es habe sich „schlicht überlebt“. Kurz zuvor hatte sie zwar noch Tassen, Jahresberichte und BerlKönige damit dekoriert, aber sei’s drum. Parallel lief ein Rechtsstreit – der Designer des Musters klagte, die BVG habe nie Lizenz genommen (CP vom 17.5.). Die Klage war nun teilweise erfolgreich, die BVG darf das Muster nicht mehr verbreiten, muss ggf. Schadensersatz zahlen und Produkte vernichten. Die Muster seien „als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt“, heißt es in dem Urteil des Hamburger Landgerichts vom 9.11., das dem Checkpoint vorliegt. Auch wenn, wie das Gericht freimütig einräumt, die ästhetische Wirkung eine „möglicherweise künstlerisch umstrittene“ sei. Die BVG hatte unter anderem ins Gefecht geführt, das Muster sei ja gar nicht schön. Das ließen die Juristen nicht gelten, erlaubten sich einen Exkurs in die philosophische Ästhetik: „Hässlichkeit“ sei „eine bloße Geschmacksfrage und daher kein Argument für oder gegen die Urheberrechtsfähigkeit“. Mit Sinn für Poesie stellte die Kammer (die sich in der Urteilsbegründung outet als „Kammer, deren Mitglieder zu den für Kunst empfänglichen und interessierten Kreisen gehören“) zudem fest, im Design würden „illusionistische, naturalistische Tiefenwirkungen vermieden“, das habe eine beruhigende Wirkung. Und die BVG? Man prüfe derzeit die Einlegung der Berufung, sagt Sprecher Jannes Schwentu. „Der Rechtsstreit ist noch nicht final entschieden.“ Aber Moment! Auf www.das-muster-kennen-wir.de war am Donnerstag (12:30 Uhr) noch feinster Würmchenmuster-Merchandise erhältlich (z. B. Brustbeutel, Handyhüllen, Kinderleggins). Auf Checkpoint-Frage, wie das zu erklären sei, sagt die BVG, sie habe bereits „vorsorglich“ veranlasst, den Vertrieb der Produkte einzustellen und „ebenso (…) die Einstellung der Seite geplant, welche seit heute auch nicht mehr aufrufbar ist“ (17 Uhr). Tatsache: Am späten Nachmittag war die Seite nicht mehr erreichbar. Der Checkpoint entschuldigt sich bei allen, die ihren Liebsten Sitzbezug-Weihnachtsgeschenke kaufen wollten. Von den Sitzen reißen (genutzt in „168 Wagen im U-Bahn-Kleinprofil und 560 Wagen im U-Bahn-Großprofil“, Q: Klageschrift) muss die BVG die alten Sitzbezüge aber nicht. Hier zeigt das Hamburger Gericht Mitleid mit Berlin: Der öffentliche Nahverkehr „in der Stadt Berlin“ würde dadurch „ganz erheblich beeinträchtigt werden“. Deshalb würden hier die Interessen der BVG „und der Berliner Öffentlichkeit“ dominieren. | |||||
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Nicht nur die Sitzbezüge werden den Berliner*innen fast unter dem Gesäß weggerissen. An einigen Plätzen der Stadt könnte es beim Umsonst-WLAN demnächst „zu einer vorübergehenden Serviceunterbrechung an bestehenden Standorten kommen“, um es mit den Worten der Verwaltung zu sagen. Das „Free WiFi Berlin“-Projekt wird 2022 erst einmal nicht weitergeführt – trotz „hoher Akzeptanz und Resonanz in der Bevölkerung“, heißt es von der Senatskanzlei. Schuld ist natürlich Corona: „Wie bei vielen Vorhaben“ sei es „bei den weiteren Prüfungen und der Vorbereitung der (…) Ausschreibungen“ zu Verzögerungen wegen „der Corona-Pandemie“ gekommen. Aber keine Sorge: „an einer Übergangslösung (…) wird derzeit gearbeitet“. Das ITDZ soll das Projekt übernehmen (ja, das ITDZ, das zuletzt Tausende Justiz-Rechner wegen eines schnöden IT-Updates lahmlegte). Hier läuft mal wieder alles nach Berliner Drehbuch. | |||||
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Diplomatie zwischen Bezirk und Kanzler: Weil das Kanzleramt um einen Bau inklusive eines Hubschrauberlandeplatzes erweitert werden soll, soll in Lichtenberg ein neuer Park entstehen – als Kompensation für die Bäume, die in Mitte abgerissen werden. Dafür sollen rund 150 Garagen in Karlshorst weichen (CP von gestern). Dort war man besorgt – einige Auto-Unterstände gehörten Berlin, nicht dem Bund. Stadtentwicklungsstadtrat Kevin Hönicke (SPD) wünschte, „dass die Abrisskosten nicht den Menschen in Karlshorst überlassen werden. Und dass erst ausgezogen werden soll, wenn die Garagen wirklich abgerissen werden.“ Denn: „Jahrelangen Leerstand kann niemand brauchen.“ Nicht einmal von Garagen. Am Abend Entwarnung: Abrisskosten zahlen nicht die Karlshorster*innen – und die Autos können noch bis zum 31. August 2022 in den Garagen bleiben, sagte Hönicke am Donnerstagabend in der BVV (via Bezirksreporter Robert Klages). | |||||
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