Amazon holte den Nasdaq 100 im Alleingang aus dem Minus
Amazon holte den Nasdaq 100 im Alleingang aus dem Minus von Sven WeisenhausWar in der gestrigen Börse-Intern Meta Platform Inc. ein Beispiel, wie einzelne schwergewichtige Aktien einen ganzen Index nach unten ziehen können, so ist heute Amazon ein Beispiel, wie eine einzelne Aktie einen ganzen Index vom Minus ins Plus hieven kann. Nasdaq 100 in 3 Minuten um 1,5 % höher Um 22:00 Uhr (MEZ) notierte der Nasdaq bei 14.522 Punkten tief im Minus. Denn am Vortag war der Index noch bei mehr als 14.800 Punkten aus dem Handel gegangen. Doch um 22:03 Uhr (MEZ) sah man den Index dann im nachbörslichen Future-Handel plötzlich bei rund 14.750 Zählern. Um 22:20 Uhr waren es dann sogar 14.817. Das Minus von etwa 1,9 % wurde also binnen Minuten fast vollständig aufgeholt. Schön zu sehen ist dies im Chart aus dem CFD-Handel von Comdirect: Was war geschehen? Amazon hat Geschäftszahlen veröffentlicht. Amazon binnen Minuten von -8 % auf +11 % Lagen die Amazon-Aktien vor Bekanntgabe der Zahlen noch mehr als 8 % im Minus, so schoss die Aktie plötzlich um bis zu 20 % in die Höhe, womit aus dem Minus ein zweistelliges Plus von mehr als 11 % wurde. Und bei einer Marktkapitalisierung von 1,37 Billionen Euro bzw. 1,67 Billionen Dollar macht ein Kurssprung um 20 % schon mal gut und gerne mehr als 330 Milliarden Dollar aus. Die Amazon-Zahlen waren nicht nur rosig Dabei war bei den Zahlen von Amazon bei weitem nicht alles rosig. So stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahresquartal „nur“ um 9 % auf 137,4 Milliarden Dollar, womit die Erwartungen von 137,6 Milliarden Dollar verfehlt wurden. Zudem lag der Ausblick für das erste Quartal 2022 unter den Erwartungen. Denn Amazon rechnet mit einem Umsatz von 112 bis 117 Milliarden Dollar, während die Analystenschätzungen im Durchschnitt bei 120,51 Milliarden Dollar lagen. Und der Gewinn konnte unter dem Strich nur deutlich stärker als erwartet zulegen, weil man einen Bewertungsgewinn mit einem Investment in den Elektroautobauer Rivian verbucht hat. So konnte der Nettogewinn zwar von 7,2 Milliarden Dollar auf 14,3 Milliarden Dollar gesteigert werden, davon entfallen aber 11,8 Milliarden Dollar auf Rivian. Und die Rivian-Aktien sind inzwischen massiv eingebrochen. Stellt sich also die Frage, ob Amazon die Beteiligung noch hält. Der operative Gewinn nahm derweil von 6,9 Milliarden Dollar auf 3,5 Milliarden Dollar ab. Amazon holt den Nasdaq 100 im Alleingang aus dem Minus Vor diesem Hintergrund scheint der gestrige Kurssprung bei Amazon nur bedingt gerechtfertigt, wenn überhaupt. Dennoch: Wenn die Facebook-Mutter Meta mit einem Wertverlust von bis zu 250 Milliarden Dollar den Nasdaq 100 zu Fall bringen kann, dann können ihn die Amazon-Aktien mit einem Wertzuwachs von 330 Milliarden Dollar offenbar im Alleingang aus dem Minus wieder herausholen. Dies veranschaulicht auch die folgende Market-Map (Heat-Map) von ariva.de sehr schön. Nahezu sämtliche Aktien des Nasdaq 100 waren gestern am späten Abend (MEZ) tiefrot. Eine Amazon-Aktie stach dagegen mit einem Plus von mehr als 11 % deutlich heraus, neben Tesla mit etwas mehr als +4 %. (Quelle: Ariva.de) Der Dow Jones blieb von diesem wilden Hin und Her erneut nahezu unberührt und konnte sich gestern im Späthandel nur begrenzt aus seinem Minus herausarbeiten, weil im Dow Jones keine Amazon-Aktie enthalten ist und nahezu sämtliche Werte des Index Tagesverluste erlitten haben. (Quelle: Ariva.de) Was für ein Wahnsinn, der da an den US-Börsen derzeit zu beobachten ist! Denn man muss berücksichtigen, dass solche Kurssprünge sonst eigentlich nur bei sogenannten Pennystocks zu beobachten sind, und nicht bei Unternehmen, die Milliarden oder gar Billionen schwer sind. Der absolute Wahnsinn! Und es gilt auch zu beachten, dass Amazon im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 470 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat. Das Unternehmen hat also gestern binnen weniger Minuten 70 % eines Jahresumsatzes an Wert gewonnen. Zudem stehen den 1,67 Billionen Dollar Marktkapitalisierung „nur“ 20 Milliarden Dollar Gewinn gegenüber. Ich errechne daraus ein sehr hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 83,5 (!). Und ich denke, Amazon-Aktionäre könnten eigentlich auch noch mehr als zufrieden sein, wenn das KGV bei 40 stehen würde. Doch ich mag mir gar nicht ausmalen, was mit dem Nasdaq 100 passiert, wenn die Amazon-Aktien rund 50 % verlieren, sich das KGV also von 83,5 auf 40 ermäßigt. Das Unternehmen wäre dann jedenfalls auch immer noch fast mit dem 2-fachen Jahresumsatz von 2021 bewertet. Und ich hatte gestern schon geschrieben, dass ein Wert beim Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) von 1 hier laut Faustformel als fair gilt, es bei Wachstumsunternehmen auch gerne 2 oder 3 sein können. Snap von -20 % um +60 % durch die Decke geschossen Noch ein Beispiel für den aktuellen Wahnsinn ist Snap Inc. Das Unternehmen wiegt an der Börse mehr als 45 Milliarden Daollar. Demgegenüber steht ein Umsatz von gerade einmal rund 4 Milliarden Dollar in 2021. Und unter dem Strich hat Snap bislang Verluste geschrieben. Dennoch konnte die Aktie gestern nach Vorlage der Geschäftszahlen nachbörslich um 60 % zulegen, ausgehend von einem Tagesminus von mehr als 20 %. Notenbankliquidität treibt die aktuelle Spekulation Derartige Kurssprünge bei solch hoch bewerteten und milliardenschweren Unternehmen lassen sich nicht mehr mit einem normalen Handelsgeschehen begründen. Stattdessen haben wir es mit einer irrsinnigen Spekulation zu tun, die typisch für Übertreibungsphasen sind und an der natürlich die massive Liquiditätsschwemme der Notenbanken eine Mitschuld trägt. Doch diese Liquiditätsschwemme endet langsam. Und die US-Notenbank Fed wird wohl bald sogar dazu übergehen, dem Markt Liquidität zu entziehen. Seien Sie also in der aktuellen Marktphase sehr vorsichtig. Im Zweifelsfall kann es sinnvoll sein, sich das Marktgeschehen eine Weile von der Seitenlinie aus anzuschauen, bis wieder etwas mehr Normalität eingekehrt ist. Denn an den US-Börsen herrscht derzeit alles andere als Normalität. Stattdessen werden die Folgen ausufernder Spekulationen immer deutlicher. Ich möchte hier jetzt nicht das Bild einer platzenden Spekulationsblase an die Wand malen. Schon gar nicht wünsche ich mir, dass es dazu kommt. Aber die hier heute und in den vergangenen Wochen aufgezeigten Entwicklungen belegen, dass bei vielen Aktien die aktuellen Schieflagen zu extremen Kursbewegungen führen, was ein hohes Gefahrenpotenzial für die Börsen beinhaltet. Apropos Schieflagen: Medienberichten zufolge wurde mit dem Kurseinbruch von Meta Platforms so viel Marktkapitalisierung vernichtet, wie 452 Aktien aus dem S&P 500 zusammen ausmachen. Dieses Verhältnis zeigt aus meiner Sicht eindrucksvoll, wo die Gefahren liegen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg an der Börse Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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