das Geschlecht ist bekanntlich ein soziales Konstrukt, wie wir spätestens seit der Lektüre von Judith Butlers Texten wissen. Insofern sollte es eigentlich kein Problem sein, auch als Familienvater an einem traditionellen Festival für homosexuelle Frauen dabei zu sein. War es aber doch, wie unser Autor Mathias Brodkorb feststellen musste, als er sich für die Teilnahme beim diesjährigen „Lesbenfrühling“ einschreiben wollte. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als sich unter dem Pseudonym „Uschi“ ins (coronabedingt virtuelle) Getümmel zu stürzen. Es muss eine interessante Erfahrung gewesen sein: „Mein erstes Mal“ ist Brodkorbs Reportage überschrieben, und wenn nicht alles trügt, könnten durchaus noch weitere Male folgen. Schließlich geht es ihm nicht um den voyeuristischen Blick auf queer-feministische Subkulturen. Sondern um die Widersprüche, in die sich viele Anhänger der Identitätspolitik mittlerweile manövriert haben. Im Vorfeld des „Lesbenfrühlings“ hatte es heuer nämlich erbitterten Streit zwischen zwei Lagern gegeben: auf der einen Seite solche Lesben, die Transfrauen mit Penissen partout nicht als „echte“ Frauen akzeptieren wollen und sich zu diesen sexuell auch nicht sonderlich hingezogen fühlen. Auf der anderen Seite jene, die diese Haltung diskriminierend, „transphob“ und einfach nur gemein finden. Jede Lesbe, die keine Affinität zu Geschlechtsgenossinnen mit männlichen Attributen habe, sei bloß ein „grausiges Stück Scheiße“, wie eine Transperson als diskursive Bereicherung zum Besten gab. Für eine Lesbe namens Patricia sei daher völlig klar gewesen, dass es in dieser Diskussion in Wahrheit letztlich nur um eines gehe: Männerinteressen im Gewande der Genderideologie. Fazit: Es bleibt kompliziert. Übrigens auch auf weltpolitischer Ebene, wie Ekaterina Zolotovas Analyse der schier unglaublichen Entführung einer Ryanair-Maschine auf Geheiß der weißrussischen Regierung zeigt. Dieser an Staatsterrorismus grenzende Vorfall wird für den weißrussischen Diktator Lukaschenko jedenfalls nicht folgenlos bleiben. Und auch für Moskau ist die Angelegenheit heikel. Warum, das lesen Sie hier. Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |