Sie haben zigtausende von Mitarbeitern neu eingestellt, um die großen Wachstumstrends weiter zu befeuern und ihren Wettbewerbern voraus zu sein: Cloud, Online-Handel, Logistik... Doch die Wahrheit des Jahres 2022 war eine andere: Umsatzrückgänge im Einzelhandel und sogar erstmals seit vielen Jahren beim Online-Handel, Rückgang der Wirtschaftsleistung und damit einhergehend Einbrüche im Advertising-Markt. Die Aktienkurse der Big-Techs waren daher auch bis Ende 2022 mächtig unter Druck und verloren teilweise 50% vom vorherigen Allzeithoch. Seit dem Jahresstart 2023 befinden sich viele Tech-Werte wieder im Rallye-Modus und können teilweise bereits Kursverdopplungen von ihren 2022er-Tiefs verbuchen. Auch wenn zu ihren Allzeithochs bisweilen noch Verdrei- oder Verfünffachungen nötig sind. Bei Amazon und Alphabet fallen die Kurszuwächse nicht so stark aus, aber deutlich zweistellig liegen sie auch im Plus. Und nachdem Meta Platforms sehr starke Zahlen für das 4. Quartal vorlegen konnte, stiegen auch die Erwartungen an alle anderen Unternehmen enorm an – obwohl Microsoft gerade erst nicht überzeugen konnte. Und was haben Amazon und Alphabet da nun vorgelegt? Die Kursreaktion von -5% scheint eine klare Sprache zu sprechen. Aber was weiß der Kurs schon...? Amazon Amazons Erlöse legten in im 4. Quartal im Jahresvergleich um 9% auf 149,2 Mrd. US-Dollar zu. Während die Online-Umsätze im Gesamtjahr konstant blieben (220 Mrd. US-Dollar nach 222 Mrd. US-Dollar in 2021), legte der Gesamtumsatz deutlich von 470 auf 514 Mrd. US-Dollar zu und konnte damit erstmals die Marke von 500 Mrd. US-Dollar in einem Jahr knacken. In den USA lief es noch ganz gut, der Umsatzrückgang im internationalen Segment offenbart allerdings Schwächen. Höhere Kosten ließen den Betriebsgewinn von 3,5 auf 2,7 Mrd. US-Dollar schrumpfen. Hierfür waren auch die massiven Personalaufstockungen verantwortlich und Amazon hat kürzlich bereits angekündigt, mehr als 18.000 Mitarbeiter zu entlassen. Das wird die Kosten dauerhaft reduzieren, aber im 1. Quartal 2023 natürlich für einen einmaligen Milliardenaufwand für Abfindungen (640 Mio. US-Dollar) etc. sorgen. Das Nettoergebnis des 4. Quartals betrug sogar nur 278 Mio. US-Dollar, doch dies lag zuvorderst an einer hohen Abschreibung auf die Beteiligung am kriselnden Elektroautobauer Rivian, an dem Amazon signifikant beteiligt ist. Einen Dämpfer verursachte die Cloud-Sparte AWS, die seit Jahren die Wachstums- und Gewinnlokomotive des Amazon-Konzerns ist. Ihr Umsatzwachstum fiel im 4. Quartal auf 20% zurück. Insgesamt spielte AWS 21,3 Mrd. US-Dollar ein; im 3. Quartal lag der Zuwachs noch bei 27% und auch das war im langfristigen Vergleich bereits ein kräftiger Rückgang gewesen. Das Wachstum halbierte sich damit innerhalb eines Jahres von 40 auf 20%. Das drückt auf die Stimmung, zumal Amazons Finanz-Vorstand Brian T. Olsavsky für die kommenden Quartale ein weiter sinkendes Cloud-Wachstum in Aussicht stellte. Fast zwangsläufig kann Amazon mit seinem Ausblick auf das aktuelle Quartal nicht glänzen. Der Umsatz wird zwischen 121 und 126 Mrd. US-Dollar erwartet und der Betriebsgewinn zwischen 0 und 4 Mrd. US-Dollar. Amazon.com, Inc. (ISIN: US0231351067) | Hier die Grafik vergrößern... | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 22e/23e/24e | Kurs | 906866 / AMZN | 406 Mrd. USD | neg. / 75 / 40 | 107,96 USD | Alphabet Der Umsatz von Alphabet ist im 4. Quartal um 1% gewachsen; währungsbereinigt wären es immerhin 7% gewesen. Wenig für ein Wachstums-Unternehmen, zumal es im 4. Quartal 2021 noch 32% waren. Aber Alphabet macht nun mal rund 90% seines Umsatzes mit Werbeeinnahmen und die schwächeln gerade auf allen Ebenen, denn die wirtschaftliche Abflachung wirkt sich überall aus. Ob beim Suchmaschinengeschäft oder bei YouTube. Hier belief sich das Minus im 3. Quartal auf 2% und im 4. Quartal waren es nun 8% weniger als im vergleichbaren Vorjahresquartal. Alarmierend. Die Cloud-Sparte kam besser über die Runden. Auch hier schrumpfte das Wachstum aber es blieben 32% Zuwachs nach 38% im Vorquartal übrig. Doch der entscheidende Wermutstropfen bleibt: Die Sparte schreibt Verluste, anders als die großen Wettbewerber AWS und Azure (Microsoft). Google Cloud versenkte im 4. Quartal weitere 480 Mio. US-Dollar, aber... zumindest lag das deutlich unter den noch pessimistischeren Erwartungen. Vordergründig hängt Alphabet an der wirtschaftlichen Entwicklung, weil seine Werbeerlöse hieran geknüpft sind. Doch in letzter Zeit rückt eine ernsthafte Herausforderung ins Blickfeld: Künstliche Intelligenz. Beim Thema KI ist Alphabet durchaus vorne mit dabei und CEO Sandar Pichai hat angekündigt, künftig die Ergebnisse der KI-Einheit DeepMind gesondert auszuweisen. Bisher wurde diese unter den sogenannten „Other Bets“ geführt. Zudem soll in den kommenden Wochen und Monaten die eigene KI LaMDA auf Google verfügbar gemacht werden. Beides sicherlich längst fällige Schritte, aber eben auch kein wirkungsvolles Mittel gegen das wahre Problem: OpenAI. OpenAI ist ein frei zugängliches KI-Tool. Microsoft hat sich gerade einen großen Teil davon gekrallt und trainiert bereits seit Jahren diese Künstliche Intelligenz, um sie in seine Office- und Cloud-Produkte zu integrieren. In den letzten Wochen war überall der Chatbot ChatGPT in aller Munde, weil er so treffsichere Antworten auf so viele Fragen gibt. ChatGPT basiert auf OpenAI und könnte zum Google-Killer werden. Echt. Es geht um die Nutzererfahrung. Warum sollte man Wörter in eine Suchmaske tippen, um Seiten-Links angezeigt zu bekommen, auf denen sich vielleicht (!) die Antwort findet, wenn man doch mit einem Bot reden kann, der die Antwort gibt – und den man, wie bei einem normalen Gespräch, um weitere Informationen bitten kann, ohne eine neue Suche starten zu müssen? Also warum? Mir fällt kein Grund ein... Und genau das ist das Google-Dilemma. In 20 Jahren hat Google das Suchmaschinengeschäft zu seiner Domäne gemacht und sich zum absoluten Dominator. Der Burggraben war schier unangreifbar. Bis jetzt. Google hat um die 85% Marktanteil, stärkster Herausforderer ist Bing (von Microsoft) mit um die 7%. Wenn Microsoft nun Bing und ChatGPT miteinander verbindet und bei Suchanfragen eine viel bessere Nutzererfahrung generiert, wird Bing schnell Marktanteile gewinnen und Google entsprechend verlieren. Da Google bzw. Alphabet selbst an KI arbeiten, könnten sie relativ schnell kontern und einen ähnlichen Such-Bot anbieten. Wo lauert also die Gefahr? Microsoft erzielt weniger als 10% seiner Umsätze mit Bing, Alphabet erzielt rund 90% seiner Umsätze und Gewinne aus dem Suchmaschinen-Business. Microsoft kann es sich leisten, diese Umsätze zu verlieren, zumal seine sonstigen Produkte aufgewertet würden. Wenn Google künftig keine Ergebnislinks mehr auswirft, die von Kunden bezahlt werden (abhängig von der Platzierung auf der Seite), und wenn künftig um die Google-Ergebnisse herum keine Werbung mehr platziert wird, weil ein Bot das Antworten übernimmt, verdurstet Google die Cashcow. Es geht also nicht um die Frage, ob Google eine ähnlich gute KI aus dem Hut zaubern kann wie OpenAI, sondern (nur) darum, ob Google hieraus ein Geschäftsmodell generieren kann, mit dem es die drohenden massiven Einbrüche bei Google Search kompensieren kann. Die beliebteste Suchmaschine zu bleiben, aber nicht mehr damit zu verdienen, dürfte weder für Alphabet noch seine Aktionäre eine verheißungsvolle Zukunft sein. Diese Fragestellung scheint neu zu sein für Alphabet, aber vermutlich ist sie es gar nicht. Alphabet arbeitet seit vielen Jahren an KI-Systemen und -Anwendungen. Bereits vor 6 Jahren hatte sich Alphabet zur AI-First-Company erklärt. Der Grund, weshalb man noch keine KI-Anwendungen an den Markt gebracht hat, könnte wirklich das Problem der Kannibalisierung der Haupteinnahmequelle Google Search sein. Tja, jetzt müssen Antworten her... Alphabet Inc. (ehemals Google) (ISIN: US02079K3059) | Hier die Grafik vergrößern... | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 22e/23e/24e | Kurs | A14Y6F / GOOGL | 1,4 Bio. USD | 19 / 21 / 18 | 104,85 USD | Unser Fazit Der starke Kurseinbruch von Big-Tech lässt die Aktien wieder billiger aussehen. Doch haben sie auch geringere Wachstumsraten, niedrigere Gewinne und Kostendruck vor der Brust. Die bisherige Jahresanfangs-Rallye ist von makroökonomischen Hoffnungen getrieben und spiegelt sich noch nicht in den Quartalsergebnissen der Unternehmen wider. Es bleibt abzuwarten, wann und wie stark die Unternehmen die Kurve kriegen, denn dies wird die Antriebsenergie für den Turnaround sein – ohne wird das nichts.
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig. | | Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte: Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: Alphabet, Amazon & Microsoft Weitere Informationen dazu findest Du hier... Meine neuesten Videos
Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen & ein schönes Wochenende wünscht Dir Dein Armin Brack Chefredakteur Geldanlage-Report >> Die nächste Ausgabe erscheint am 11. Februar Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Gerne kannst Du uns auch Themenvorschläge unterbreiten. Fragen und Anregungen bitte per Mail an [email protected] TradingView© ist eine eingetragene Marke der ICE Data Services. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten! Hier kommst Du zu TradingView©. Geldanlage-Report weiterempfehlen! Wir würden uns freuen, wenn Du den Geldanlage-Report Deinen Freunden und Kollegen weiterleiten würdest! Kostenlose Anmeldung unter www.geldanlage-report.de |