| | | | | 20. September 2024 | | Deutscher Alltag | | | |
|
| | | | | allmählich wird es Zeit, sich mit der Möglichkeit zu befassen, dass der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz heiÃen wird. Nein, keine Sorge, das wird kein politischer Kommentar, weil der, in klassischer Zeitungslogik gedacht, auf die Meinungsseite gehört, auch wenn er sich manchmal in den allgemeinen Politikteil verirrt oder im Feuilleton nistet, wo es viele textliche Kuckuckskinder gibt. Ich werde mich also Friedrich Merz philologisch-phänomenologisch annähern. Sie wissen nicht, was das sein soll? Ganz einfach: Hingucken, wie der Mann heiÃt, wie er so redet und wie er aussieht. Das Netz sagt mir, dass Menschen, die Friedrich heiÃen, im Durchschnitt 67 Jahre alt sind. Merz ist ein Jahr älter als der Durchschnitt aller Friedriche, aber 24 Jahre älter als der durchschnittliche Deutsche (das Durchschnittsalter liegt bei knapp 45). Daraus könnte man folgern, dass Merz für die Friedriche in Deutschland ein hervorragend repräsentativer Kanzler wäre, nicht aber für die Deutschen insgesamt. Anfang der Achtzigerjahre, als die heute durchschnittlichen Deutschen geboren wurden, waren die beliebtesten Vornamen Christian und Stefanie. Rein vornamenmäÃig wären also Christian Lindner (geboren 1979) oder Stefanie Hertel (ebenfalls 1979 geboren) gut für das Kanzleramt geeignet. Allerdings wirklich nur vornamenmäÃig. AuÃerdem: Vor Christianen, das lehrt die Lebenserfahrung, muss man sich eher in Acht nehmen. Olaf übrigens ist kein guter Kanzlername, wenn es um die Repräsentativität geht. Selbst im Vergleich zu den Fritzen sind die Olafe selten. Zwischen 2006 und 2018 nannten, weià wieder das unzuverlässige Netz, nur 290 Eltern ihren Sohn Olaf. So wie die SPD im Osten fast Splitterpartei ist, ist der Olaf als solcher Splittervorname. Markus übrigens war Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre recht beliebt. Seit den Neunzigern allerdings befindet sich Markus im relativ steilen Abstieg. Der Kanzleraspirant Friedrich redet, wenn er bedeutend und entscheidungskräftig wirken will, gerne etwas abgehackt: DIESER â Pause â BUNDESKANZLER â Pause â schadet dem â Pause â LAND. (Gemeint ist natürlich der unrepräsentative Olaf.) Merz trägt auÃerdem eine dieser Brillen, bei denen man den Eindruck hat, sie vergröÃerten die Augen des Trägers. Hinzu kommt, dass die Länge seines Halses das immer wieder zu beobachtende Vorstrecken seines Kopfes begünstigt. Gäbe es schnabellose, entschieden sprechende Reiher, könnten sie Friedrich heiÃen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Reiher sind elegante, manchmal fast majestätische Vögel, deren Staksen ein Schreiten ist und die mit groÃer Geduld darauf warten, im richtigen Moment den Fisch zu erwischen. Ihre Friedrich-Eigenschaften sind dann also doch wieder begrenzt. Vor nicht langer Zeit hat Merz dem seltenen Olaf einen bemerkenswerten Satz entgegengeschleudert â nein, âschleudernâ ist ein Verb, das bei Merz nicht passt, weil es zu dynamisch ist. Besser wäre: entgegengehalten, Privatpiloten mit sauerländischen Wurzeln schleudern nicht, höchstens mal imagemäÃig, wenn sie zur Hochzeit eines Christians nach Sylt fliegen. Der Satz lautete: âDem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land.â Im Sinne der Phänomenologie betrachten wir diesen Satz hermeneutisch, versuchen also das in ihm Liegende zu verstehen und zu interpretieren. Zunächst einmal fällt auf, dass Merz glaubt, der Kanzler habe ein âeigenes Landâ. âEigenâ bedeutet: Es gehört ihm oder ist ihm jedenfalls so zugeordnet (von wem eigentlich?), dass es ihm âzu eigenâ ist im Sinne von eigentümlich oder spezifisch scholzisch. Deutschland gehört Scholz, weil er Kanzler ist. Das ist eine postfeudale Betrachtungsweise, die vielleicht tief in Merz verwurzelt ist, und sei es nur als Traum: Ich werde Kanzler und dann gehört mir das Land. Der Kanzler aber ist nichts anderes als der erste Angestellte, den eine Koalition bestimmt hat, deren Parteien wiederum von âdemâ Land gewählt worden sind. Der Kanzler hat kein eigenes Land, sondern das Land hat ihn. Wir alle sind seine Arbeitgeber, es ist unser Land. Als Privatmensch kann man aus vollem Herzen sagen: âDeutschland ist mein Land.â Damit aber meint man: Ich identifiziere mich mit diesem Land, es liegt mir am Herzen. Dieses âmeinâ ist kein Possessivpronomen in dem Sinne, wie er in Merzens âeigenem Landâ mitschwingt. Es ist eine GefühlsäuÃerung. Das Land kann dem Kanzler auch nicht âentgleitenâ. Das passiert mit Dingen, die man in der Hand hat, beherrscht oder wenigstens kontrolliert. Es mag sein, dass dem Land der Bundeskanzler entgleitet, nicht aber umgekehrt. Auch das Verb âentgleitenâ zeugt von einem leicht autoritären Verständnis des Kanzleranwärters Merz. Er gehört wahrscheinlich zu jenen Friedrichen, für die Kontrolle zu den wichtigsten Tugenden der Machtausübung gehört. Die Kontrollierer wiederum, und hier schlieÃt sich der Kreis, sprechen gerne entweder sehr betont oder sehr leise. Kontrollierer sind oft Menschen, die ihren Lebensweg als hinreichenden Beweis dafür sehen, dass sie eine Führungspersönlichkeit sind, die über andere herausragt und deswegen für das Chefsein bestimmt ist. Das vereint Friedrich Merz mit Friedrich Schröder, Friedrich Lafontaine und irgendwie sogar auch mit Friedrich Söder. | |
|
| | | | | | | | | | Die Wunschgegner | | Olaf Scholz gegen Friedrich Merz â darauf wird es bei der nächsten Bundestagswahl wohl hinauslaufen. Die beiden mögen einander nicht besonders und auch politisch trennt sie einiges. Wo verlaufen die Konfliktlinien? | | | |
|
| | | | |
---|
Lösen Sie mit möglichst wenig Hinweisen den beliebten Klassiker und finden Sie alle gesuchten Begriffe. | | | |
|
|
| | | | | | | | | | Entdecken Sie unsere Apps: | | | |
| |
---|
|
| | Impressum: Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner StraÃe 8, 81677 München Tel.: +49 89 2183-0, Fax: +49 89 2183 9777 Registergericht: AG München HRB 73315 Ust-Ident-Nr.: DE 811158310 Geschäftsführer: Dr. Christian Wegner (Vors.), Johannes Hauner, Dr. Karl Ulrich Copyright © Süddeutsche Zeitung GmbH / Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH. Hinweise zum Copyright Sie erhalten den Newsletter an die E-Mail-Adresse [email protected]. Wenn Sie den âDeutscher Alltagâ-Newsletter nicht mehr erhalten möchten, können Sie sich hier abmelden. | Datenschutz | Kontakt | |
|
|
|