Wie ich die Bewertung am Aktienmarkt einschätze und was Sie tun sollten Liebe Leser, die viel beschworene Trump-Euphorie an den Märkten ist längst verflogen. Mehr noch: Am letzten Wochenende war in verschiedenen Medien zu lesen, große Investoren würden Geld von der Wall Street abziehen, weil sie einen Crash befürchten. Was immer da auch dran sein mag und wer diese "großen Investoren" auch sind: Den Börsianern geht es höchstwahrscheinlich weniger um die Skandale oder den viel kritisierten Politikstil von Donald Trump, sondern um die Frage, was er von seinen großen wirtschaftspolitischen Versprechen wirklich umsetzen kann. Alles nur heiße Luft? Nehmen wir nur einmal "die größte Steuerreform aller Zeiten": Die geplanten Steuersenkungen klingen toll – zumindest aus Sicht der Unternehmen und der Vermögenden. So soll z.B. die Körperschaftssteuer für Unternehmensgewinne von 35 auf 15 Prozent gesenkt werden. Ich will hier gar nicht die gesamten Pläne im Detail vorstellen, nur so viel: Erstens ist fraglich, was Donald Trump von diesen Plänen im Kongress überhaupt umsetzen kann. Zweitens wird die erhoffte "automatische" Finanzierung dieser Steuersenkungen, die ja einen enormen Einnahmeausfall für den sowieso defizitären Staatshaushalt bedeuten, durch höheres Wirtschaftswachstum nicht funktionieren. Und das auch weil, drittens, die Steuersenkungen in erster Linie nicht dem "kleinen Mann" zugutekommen, sondern denen, die bereits jetzt viel haben und wegen mehr Geld auf dem Konto nicht unbedingt mehr konsumieren. Der US-Aktienmarkt tritt auf der Stelle Die Börsen haben durch das Verschwinden der Trump-Euphorie ihre Triebfeder der letzten Monate verloren. Das zeigt sich auch am Chart des US-Aktienindex S&P 500, der mit seinen 500 Aktien am besten die Situation an der Wall Street widerspiegelt. Wie Sie hier sehen können, konnte der S&P 500 seit Anfang März kaum noch zulegen: Der US-Aktienindex S&P 500 zeigte von November 2016 bis März 2017 einen steilen Aufwärtstrend, ist seitdem aber in eine Seitwärtsbewegung übergegangen. Ist diese Seitwärtsbewegung der Auftakt zu einer echten Korrektur? Immerhin halten nicht wenige den Aktienmarkt im Allgemeinen für stark überbewertet. Auch mir liegt blinde Begeisterung für den Aktienmarkt fern, ebenso halte ich nichts davon, alle Gefahren einfach auszublenden nach dem Motto „Wir machen Sie reich, kaufen Sie diese oder jene Aktien“. Auf einige Entwicklungen blicke ich durchaus kritisch und möchte diese hier näher beleuchten: Risikofaktor Nr. 1 – Substanzwerte sind teuer geworden Warren Buffett gilt mit seinem Unternehmen „Berkshire Hathaway“ als König der Value-Strategie. Das bedeutet: Buffett trifft seine Kaufeinscheidungen auf Basis realwirtschaftlicher Faktoren. Die Aktie muss an der Börse niedriger bewertet sein, als die Analyse der Fundamentaldaten des Unternehmens ergibt. Wie er selbst stets betont, sind mehrere Faktoren maßgeblich für den Erfolg. Die bekanntesten: Ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV, eine hohe Dividendenrendite oder/und ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum. Warum in aller Welt kommt Warren Buffett dann auf die Idee, ein Übernahmeangebot für Unilever abzugeben? Ich halte die Aktie als langfristigen Stabilitätsanker im Depot durchaus für geeignet, aber sie ist aktuell sicher nicht mehr unterbewertet. Antwort: Es gibt momentan keine günstigen Value-Werte. Risikofaktor Nr. 2 – Wachstum wird hoch bezahlt Selbstverständlich schließen sich „Substanz“ und „Wachstum“ nicht aus. Bei Wachstumswerten stehen aber zukünftige Gewinne im Fokus. Dafür verzichtet der Anleger heute auf Ausschüttungen. Amazon ist das perfekte Beispiel für diesen gedanklichen Ansatz. Eines Tages wird dieser Online-Riese vom Wachstums- zum Substanzwert mutiert sein und seinen Aktionären in der Zwischenzeit noch Freude bereiten. Gemessen an Value-Werten sind Wachstumswerte zwar nicht überbewertet, aber alles andere als billig. Und jetzt? Alles verkaufen? Im Jahr 2016 konnten wir für das Zukunftsdepot der Rendite-Spezialisten mit BB-Biotech und Investor AB zwei Beteiligungsgesellschaften unter dem Buchwert kaufen. Beide Titel liegen nun 36 bzw.26 Prozent im Gewinn. Heute müssen wir schon sehr intensiv recherchieren, um noch fair bewertete Kandidaten für die Depots auszumachen. Aktien sind eben nicht mehr günstig. Daraus schließen Sie aber bitte keinesfalls, dass man sein Depot leerräumen sollte. Immobilien (in Ballungszentren) oder Staatsanleihen sind nämlich unter Renditeaspekten noch teurer. Darauf kommt es letztlich aber an, denn das Kapital sucht sich automatisch den Weg zur besten Rendite und wählt notfalls die am wenigsten überbewertete Anlageklasse aus. Aktien bleiben daher die erste Wahl. DAX-KGV noch nicht extrem erhöht Zumal die Aktienbewertungen durch die Rallye der letzten Monate zwar deutlich gestiegen sind, langfristig gesehen ist aber z.B. das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der DAX-Aktien mit aktuell 14,0 noch auf einem durchschnittlichen Niveau, wie Sie an dieser Grafik sehen können: Das DAX-KGV gibt das durchschnittliche Bewertungsniveau der DAX-Aktien wieder. Seit dem Tief im Jahr 2010 ist die Bewertung zwar gestiegen, sie befindet sich aber historisch gesehen nicht auf einem überhöhten Niveau. In den Zeiten des Internetbooms Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre war das KGV sehr viel höher, nämlich zwischen 20 und 30. Anleger waren also bereit, im Durchschnitt das 20- bis 30-fache des jährlichen Gewinns für eine DAX-Aktie zu zahlen. Und selbst vor dem Crash nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers im Jahr 2008 waren DAX-Aktien mit einem KGV von bis zu 16,7 höher bewertet. Meine Schlussfolgerung daraus: Eine Korrektur an den Börsen ist zwar möglich, ergibt sich aber nicht zwingend aus einer vermeintlichen Überbewertung. Die Erfahrung zeigt auch, dass ein starker Kurseinbruch erst dann kommt, wenn ungebremste Euphorie herrscht und kaum noch jemand von einer Überbewertung spricht. Das ist derzeit nicht der Fall, denn viele Privatanleger und auch Profis sind nach wie vor skeptisch. In diesem Video erkläre ich Ihnen, welche Anzeichen einem Aktien-Crash vorausgehen. DAX: Auf diese Chartmarke sollten Sie achten! Dass ein Crash nicht unmittelbar bevorsteht, heißt aber nicht, dass es nicht kurzfristig eine stärkere Korrektur geben könnte. So haben die massiven Vorwürfe gegen US-Präsident Trump in der letzten Woche auch den deutschen Aktienmarkt in Mitleidenschaft gezogen, wie sich am DAX zeigt: Der DAX zeigte in der letzten Woche eine kleine Korrektur, befindet sich aber nach wie vor in einem charttechnischen Aufwärtstrend. Trump steht wegen mehrerer Skandale unter Dauerbeschuss. Ein kompletter Abgesang wäre zwar verfrüht, aber die gute Stimmung scheint verflogen. Charttechnisch betrachtet bislang kein Problem. Solange der Leitindex nicht unter 12.375 Punkte abrutscht – und das ist bisher nicht geschehen – betrachte ich die Bewegung als längst überfällige Konsolidierung im Aufwärtstrend. Mein Fazit: Und welche Schlussfolgerungen sollten Sie daraus ziehen? Wenn Sie auf Sicht von zehn Jahren oder mehr in Aktien investieren, um von der langfristigen Rendite zu profitieren, dann machen Sie sich bitte nicht verrückt. Es ist nicht sinnvoll, wenn Sie Ihren Depotstand stündlich in Augenschein nehmen. Nicht zuletzt waren Korrekturen langfristig immer Kaufgelegenheiten! |