Zuvor aber noch – wie im letzten Video auf meinem YouTube-„Aktien-Kanal“ versprochen – ein Blick auf die ersten beiden Handelstage von Airbnb, der neuen Aktie der Stunde. Meine Prognose zu Airbnb war ja, dass die Aktie zum oberen Ende der erhöhten Preisspanne platziert wird, also bei 60 US-Dollar. Und der erste Börsenkurs dann gleich beim Doppelten des Ausgabepreises liegen könnte. Das schien optimistisch, war aber immer noch zu vorsichtig gedacht. Tatsächlich eröffnete die Aktie um 19:38 Uhr MEZ bei 146,00 US-Dollar, nachdem der IPO-Preis ganz kurzfristig im Vorfeld nochmal auf 68 US-Dollar erhöht worden war. Damit ergab sich ein Plus von 114,7%. Leider hatten wir als Privatanleger davon überhaupt nichts, denn wir konnten das IPO nicht zeichnen. Profitiert haben ausschließlich institutionelle Anleger – wieder mal. Meiner Ansicht nach werden diese exorbitanten Steigerungen bewusst von allen am IPO Beteiligten provoziert: Zunächst wird das Angebot an Aktien bewusst knappgehalten. Es kommen nur 51,9 Mio. Aktien in den freien Handel, obwohl es insgesamt nun rund 679 Mio. Aktien gibt (inklusive der Restricted Stock Units und unter der Annahme, dass die IPO-Banken ihr Recht weitere 5 Millionen Aktien zu kaufen, ausüben, wovon auszugehen ist angesichts der Kursentwicklung). Das heißt der so genannte Freefloat liegt gerade mal bei 7,6%. Die Idee dahinter ist die übliche: Durch die absichtliche Einschränkung der anfangs ausgegebenen Aktien zahlen die Käufer anfangs Knappheitspreise. Wurde dann eine entsprechend hohe Preisspanne etabliert, dürfte eine weitere Kapitalerhöhung folgen. Dann kann das Unternehmen erneut Geld einsammeln und muss dann entsprechend relativ zum IPO weniger neue Aktien ausgeben. Das heißt, es wird quasi schon beim Börsengang mit einer zusätzlichen nachfolgenden Kapitalerhöhung kalkuliert. Interessant ist das auch deswegen, weil Airbnb ja eigentlich nur ein reines Listing vornehmen wollte. Das heißt, man wollte zwar börsennotiert sein, aber beim Börsengang kein Geld von den Investoren einsammeln (IPO bedeutet ja Initial Public Offering, also ein erstes Angebot an externe Investoren, die die Aktie kaufen möchten). Ein solches IPO war nicht geplant. Weil nun das Geschäft von Airbnb durch die Corona-Krise stark unter Druck kam, hatten sich das Management und die IPO-Berater nun kurzfristig doch für ein IPO entschieden. Das zeigt schon, dass ein gewisser Kapitalbedarf vorhanden ist bei Airbnb, was ich in diesem Zusammenhang eher als negativ interpretiere. Beim aktuellen Kurs von 148,92 US-Dollar hat Airbnb voll verwässert damit eine Marktkapitalisierung von 101 Mrd. US-Dollar und einen Enterprise Value von 96,6 Mrd. US-Dollar. Das entspricht dem 18-fachen des Enterprise Value relativ zum Umsatz in 2019 und gar knapp dem 24-fachen relativ zum Umsatz in den letzten 12 Monaten (die freilich durch die Corona-Krise belastet waren). Zum Vergleich: Konkurrent Booking.com liegt aktuell beim 5,7-fachen des Enterprise Value relativ zum Umsatz und beim 9,7-fachen relativ zum Umsatz in den letzten 12 Monaten (die auch bei Booking.com durch die Corona-Krise belastet waren). Booking.com (Booking Holdings | WKN: A2JEXP) ist also viel günstiger bewertet, wächst aber auch langsamer (die kumulierte jährliche Wachstumsrate lag bei Airbnb in den letzten Jahren bei 51%, bei Booking.com aber nur bei 13%). Rechnet man in Punkto Wachstum damit, dass Airbnb es gelingt bis 2025 relativ dynamisch auf einen Umsatz von ca. 8,5 Mrd. US-Dollar zu wachsen und danach sich das Wachstum dann sukzessive verlangsamt auf 13,7 Mrd. US-Dollar in 2029 und man von einer Nettomarge von 24% ausgeht, käme man dann auf einen Nettogewinn von 3,3 Mrd. US-Dollar. Das heißt, aktuell ist die Aktie bei diesen Grundannahmen bereits mit dem 31-fachen des im Jahr 2029(!) erwarteten Gewinns bewertet. Damit ist die Bewertung exorbitant hoch. Zum Vergleich: Booking Holdings, die bereits hoch profitabel sind, liegt aktuell beim 41,5-fachen des 2021er-Gewinns und bei nur dem 21-fachen des 2022er-Gewinns. Im kommenden Jahr soll Booking Holdings laut den aktuellen Konsensschätzungen der Analysten knapp 2 Mrd. US-Dollar verdienen und in 2022 dann – ohne Corona-Einfluss – 3,86 Mrd. US-Dollar. Die Marktkapitalisierung liegt bei 86 Mrd. US-Dollar. 2018 und 2019 hat Booking Holdings übrigens netto bereits 4,0 Mrd. US-Dollar und 4,9 Mrd. US-Dollar verdient. Etwas ketzerisch formuliert könnte man sagen, dass Booking Holdings bereits da ist, wo Airbnb noch hin will. Allerdings hat Airbnb eben Booking auch stark Marktanteile abgenommen in den letzten Jahren: Du erkennst das daran, dass der rote Balken deutlich schneller wächst als der blaue von Booking und der gelbe von Expedia. Das große Plus ist die Plattform von Airbnb, die viel ansprechender und persönlicher gestaltet ist als die sehr nüchtern gehaltene Startseite von Booking. Die große Frage ist halt, ob sich diese Marktanteilsgewinne wirklich so in die Zukunft fortschreiben lassen und Airbnb auch außerhalb der primären Zielgruppe der 18- bis 35-jährigen nennenswerte Marktanteile erobern kann. Nur wenn das gelingt und Airbnb deshalb deutlich schneller wächst als in der obigen Beispielrechnung, könnte die aktuelle Bewertung gerechtfertigt sein. Die Analysten von Atlantic Equities z.B. rechnen für 2023 bereits mit knapp 8 Mrd. US-Dollar Umsatz, die in der obigen Rechnung erst für 2025 erwartet werden. Aus meiner Sicht ist das aber ein absolutes Best Case-Szenario. Vergessen sollte man auch nicht, dass Airbnb wegen der Corona-Pandemie im Sommer noch eine Notkapitalerhöhung zu einer Bewertung von 17 Mrd. US-Dollar durchführen musste. Das entsprach gerade mal 17% der jetzigen Bewertung. Airbnb Inc. (ISIN: US0090661010) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A2QG35 / ABNB | 101 Mrd. USD | neg. / neg. / neg. | 148,92 USD | Mein Fazit: Klar ist die Corona-Pandemie ein «Schwarzer Schwan»-Ereignis, das nur alle Jahrzehnte mal vorkommt, aber Fakt ist: Viel schief gehen darf bei Airbnb bei der aktuellen Bewertung nicht. Eigentlich gar nichts. Deswegen würde die Aktie für mich erst dann wieder interessant werden, wenn sie wieder auf den Ausgabepreis von 68 US-Dollar je Aktie zurückfallen würde. Kommen wir zu Nikola Corporation... Das ambitionierte amerikanische Start-up macht gerade harte Zeiten durch. Nachdem die Enthüllungen des Shortseller-Outfits Hindenburg Research bereits zum kurzfristigen Rücktritt von Gründer und Executive Chairman Trevor Milton geführt hatten und sowohl die amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde SEC als auch das US-Justizministerium eine formale Untersuchung der Vorgänge eingeleitet haben, macht nun auch der im September mit viel Aufhebens vorgestellte Partner General Motors einen Rückzieher. Statt einer relevanten Kapitalbeteiligung und der Konstruktion und Fertigung des sogenannten „Badger“ Pickup-Trucks seitens General Motors, gibt es zunächst einmal gar nichts. Nach wochenlangen Nachverhandlungen steht aktuell nur ein „Memorandum of Understanding“ oder kurz „MoU“ zu Buche, das im Erfolgsfall General Motors zu Nikolas weltweitem Brennstoffzellen-Lieferanten machen könnte. Zusätzlich soll noch das Potenzial für die Nutzung der Ultium-Batteriesysteme in Nikolas LKW ausgelotet werden. Schwammiger geht es kaum noch. Wie nicht anders zu erwarten, zeigten sich die Marktteilnehmer enttäuscht von den Entwicklungen in Sachen General Motors und verkauften entsprechend reihenweise ihre Anteile. Am Schluss des Handelstages standen rund 25% Verlust zu Buche. Fragezeichen hinter der Bosch-Partnerschaft Darüber hinaus stellt sich nun auch die Frage, was dies für die Zusammenarbeit mit Bosch bedeuten könnte. In der ursprünglichen Vereinbarung war Europa ausdrücklich ausgeklammert, während im MoU jetzt ausdrücklich ein „Global Supply Agreement“ für GMs Hydrotec-Brennstoffzellensysteme angestrebt wird. Dazu passt, dass Bosch direkt mit Ablauf der Haltefrist am 1. Dezember rund 4,3 Millionen oder knapp 20% seiner Nikola-Aktien zu einem durchschnittlichen Kurs von 17,25 US-Dollar in den Markt verkauft hat. Zwar hält Bosch noch immer rund 18,8 Millionen Aktien, allerdings ist durch den Verkauf die Beteiligung an Nikola auf unter 5% gesunken – und damit sind weitere Verkäufe durch Bosch nicht mehr meldepflichtig. Auf diese Weise kann Bosch nun ohne Aufmerksamkeit zu erregen, seinen Anteil an Nikola weiter reduzieren oder sogar komplett abstoßen. Und genau das dürfte der Plan sein, denn eine andere plausible Erklärung für die Reduktion des Anteils exakt unter die Meldepflicht-Grenze gibt es leider nicht. Unter anderem als Folge der massiven Bosch-Verkäufe brach der Kurs am 1. Dezember unter sehr hohen Umsätzen um rund 15% ein. Seitdem hat sich die Aktie bei generell sinkenden Umsätzen wieder leicht erholt. Trevor Milton finanziert Immobilienkäufe mit Nikola-Aktien Für leichte Unruhe sorgten zuletzt Presse-Meldungen über Aktien-Verkäufe von Gründer Trevor Milton nach Ablauf der Haltefrist am 1. Dezember. Tatsächlich aber wurden die rund 3,2 Millionen Aktien als Kaufpreis an die Verkäufer von verschiedenen Immobilien übereignet – darunter auch eine Ranch in Utah, die Milton bereits im letzten Jahr für 32 Mio. US-Dollar erworben hatte. Anders als Bosch oder Worthington Industries hat der Nikola-Gründer aber noch keine Aktien in den offenen Markt verkauft und plant laut Aussagen eines Sprechers auch weiterhin der größte Anteilseigner des Unternehmens zu bleiben. Diese Formulierung ist allerdings etwas schwammig, denn Milton könnte unproblematisch massive Stückzahlen verkaufen und trotzdem noch der größte Einzel-Aktionär bleiben. Hoffen auf Bekanntgabe eines Tankstellen-Partners Für spekulative Anleger mit eher kurzfristigem Horizont könnte sich trotz des Ablaufs der Haltefristen für diverse Altaktionäre und Gründer Trevor Milton möglicherweise eine Trading-Chance ergeben, denn laut Nikola-Management hält das Unternehmen nach wie vor an dem Ziel fest, bis zum Jahresende einen Partner für sein geplantes Netzwerk von Wasserstoff-Tankstellen zu benennen. Zur Erinnerung: Laut Medien-Berichten soll sich Nikola vor den Enthüllungen von Hindenburg Research in bereits weit fortgeschrittenen Verhandlungen mit dem britischen Öl- und Gas-Konzern BP befunden haben. Diese wurden dann aber aufgrund des sich abzeichnenden Skandals seitens BP zunächst auf Eis gelegt. Sollte Nikola tatsächlich bis zum Ende des Monats eine tragfähige Partnerschaft für sein geplantes Tankstellen-Netzwerk bekannt geben können, dürfte durchaus Potential für eine massive Rally bestehen. Das Unternehmen hat bis 2024 allein für die Anschaffung der Tankstellen-Technik einen Kapitalbedarf von rund 1 Mrd. US-Dollar veranschlagt, dazu kommen weitere 2 Mrd. US-Dollar für den Ausbau der geplanten Fabrik in Arizona und zur Finanzierung der Leasing-Verträge für die ab 2023 auszuliefernden Wasserstoff-LKWs. Ohne einen finanzstarken Partner ist der Netzausbau für Nikola kaum zu bewältigen. Zudem stellt sich aber nach wie vor die Frage, ob das Unternehmen überhaupt auch nur ansatzweise in der Lage sein wird, „Grünen Wasserstoff“ zu den im Geschäftsplan kalkulierten Kosten von unter 2,50 US-Dollar pro Kilogramm bereitzustellen. Aktuell betragen die Produktionskosten nämlich noch ein Vielfaches dieser Summe und es ist wenig wahrscheinlich, dass binnen 2 Jahren derartige Kostenreduzierungen zu erzielen sind. Nikola Corp. (ISIN: US6541101050) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A2P4A9 / NKLA | 7,1 Mrd. USD | neg. / neg. / neg. | 17,51 USD | Nel ASA – Profiteur einer Tankstellen-Partnerschaft Hier liegen gleichzeitig auch die Chancen und Risiken für den als exklusiven Lieferanten vorgesehenen norwegischen Spezialisten für Elektrolyseure und Wasserstoff-Tankstellen NEL. Das Unternehmen hat Umsätze in Höhe von mehreren Milliarden Norwegischen Kronen aus dieser Vereinbarung prognostiziert und investiert entsprechend derzeit massiv in die Erweiterung seiner Produktionskapazitäten. Sollte aber Nikola aufgrund des Skandals nicht in der Lage sein, die benötigten Mittel zum Aufbau des Tankstellennetzes zu beschaffen oder gar in nicht allzu ferner Zukunft in die Insolvenz gehen, würde sich die ganze Angelegenheit für NEL in einen Riesenverlust verwandeln. Schließlich hätte man dann ohne entsprechenden Bedarf in eine riesige Elektrolyseur-Fabrik investiert und auch die erst kürzlich bekannt gegebene Elektrolyseur-Order in Höhe von 30 Mio. US-Dollar wäre damit hinfällig. Ohne Frage ist ein Großteil der äußerst ambitionierten Bewertung von NEL durch erwartete Umsätze und Gewinne aus dem Ausbau von Nikolas geplantem Wasserstoff-Tankstellennetz begründet. Sollte Nikola in den nächsten Wochen tatsächlich eine belastbare Partnerschaft für sein geplantes Wasserstoff-Tankstellennetz bekannt geben, wäre dies auch für NEL eine äußerst positive Entwicklung. Schließlich besteht ein wesentlicher Teil des Auftragsbestandes aus der jüngsten Nikola-Order – sollten Nikolas Pläne sich verzögern oder gar scheitern, wäre dies ein herber Rücksetzer auch für NEL. Nel ASA (ISIN: NO0010081235) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A0B733 / D7G | 3,16 Mrd. EUR | neg. / neg. / neg. | 2,24 EUR | Mein Fazit: Nach dem vorläufigen Scheitern der angestrebten Allianz mit General Motors und dem kürzlichen Auslaufen der Haltefrist für und 161 Millionen Aktien aus den Beständen von Alt-Aktionären benötigt Nikola dringend einen Befreiungsschlag in Form einer tragfähigen Partnerschaft für das geplante Wasserstofftankstellen-Netzwerk. Sollte das Unternehmen tatsächlich kurzfristig einen finanzstarken Partner vom Kaliber BP präsentieren können, dürfte sich der zuletzt arg gebeutelte Aktienkurs zumindest vorübergehend deutlich erholen. Von einer derartigen Vereinbarung dürfte auch die Aktie des Exklusiv-Partners NEL überproportional profitieren. Äußerst spekulative Anleger sollten hier einen Kurzfrist-Trade ins Auge fassen. Langfristig bestehen jedoch bei Nikola nach wie vor zu viele Fragezeichen. Zwar verfügte das Unternehmen zum Ende des 3. Quartals über rund 900 Mio. US-Dollar an liquiden Mitteln. Diese werden aber voraussichtlich bereits zum Ende des nächsten Jahres aufgebraucht sein. Daher müssen sich Aktionäre mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Kapitalerhöhung in der 2. Jahreshälfte 2021 einstellen. Zudem endet am 30. April 2021 die Haltefrist für weitere 136,5 Millionen Nikola-Aktien. Vor diesem Hintergrund sollten langfristig orientierte Anleger die Nikola-Aktie nach wie vor meiden. Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels NICHT investiert. Es können daher KEINE Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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