Wie Nina von Hardenberg die Abstandsregeln lieben lernte
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10. Juli 2020
Guten Tag,

"Mami, Du darfst hier nicht rein", erklärt meine Fünfjährige und versperrt die Tür zu ihrer Kindergartengruppe. Schon eilt auch eine Erzieherin herbei und begleitet sie in den Raum.  Kein Warten, bis das Kind seinen Rucksack an den Haken und das Anwesenheitsschildchen auf die richtige Tafel geheftet hat. Kein letzter und allerletzter Abschiedskuss. Küssen ist mit Maske ja eh schwierig.

 Die neuen Corona-Abstandsregeln, die die Erzieher den  Kindern erklärt haben, in diesem Moment lerne ich sie zu lieben. Nie vorher hat mich dieses Kind so schnell verabschiedet, nie habe ich den Kindergarten so leichtfüßig verlassen. Die Tochter hasst jede Art von Trennung. Sie findet nicht in den Schlaf, ohne sich sieben Mal zu vergewissern, dass die Mutter noch in der Nähe ist, und geht nur in den Kindergarten, wenn der Schoßplatz der richtigen Betreuerin frei ist. "Ist halt so, sie braucht ihre Zeit", sagen dazu die rührend langmütigen Erzieherinnen. Und auch ich hatte mich dem längst ergeben, schließlich lautet das Mantra der bindungsorientierten Erziehung, das unsere Elterngeneration geprägt hat, die Kinder in ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen und auf sie einzugehen.

 An jenem Morgen aber merke ich, dass dieses Kind noch etwas anderes braucht, nämlich Struktur: Reinkommen, Schuhe aus, Händewaschen und Tschüss. Am besten jeden Tag nach dem exakt gleichen Muster. Je vorhersehbarer desto besser für sie.

 Kinder lieben Rituale, wie mein Kollege Georg Cadeggianini sehr lustig in "Noch Mal, Papa, nochmal – und zwar genau wie immer" schreibt. Er leidet daran, lebte er doch eben noch frei, impulsiv, spontan und dann plötzlich - ein, zwei Kinder genügen - verbringt er ganze Tagesphasen mit nichts anderem als dem Nachgezappele einstudierter Abläufe. Eltern wissen: Wer Punkt 18 Uhr das Abendbrot auf dem Tisch stellt, hat gute Chancen, um 20 Uhr seinen Wein allein zu genießen. Wer den Zeitpunkt verpasst, redet oft genug die halbe Nacht auf heulende Kinder ein. Und trotzdem verquatsche ich mich regelmäßig, weil Abende, an denen man die Zeit vergisst, oft die Schönsten sind, wie ich hier mal für Kinder erklärt habe.

In dieser speziellen Bring- und Abholsituation im Kindergarten, in der Eltern sich zwischen unübersichtlichen Mengen von Mützen, Brotdosen und ausnahmsweise mitgenommenen Spielzeugen abmühen, ihre Kinder an- und auszuziehen (und in der mein Kollege Markus Jauer trotzdem einen Freund fand, wie er hier beschreibt. In diesem für mich oft grässlichen Moment aber erweist sich ein wenig mehr Struktur in diesen Tagen als segensreich. Corona sei Dank.

Ein schönes, möglichst gut strukturiertes Wochenende wünscht Ihnen Nina von Hardenberg
SZ FÜR KINDER
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"We are not burned out because life is hard this year. We are burned out because we are being rolled over by the wheels of an economy that has bafflingly declared working parents inessential."
Deb Perelman in der New York Times.
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