Das 9-Euro-Ticket ist tot, es lebe das 9-Euro-Ticket! Denn geht es nach den Mitgliedern der Ampel-Koalition, dann wird es schon bald einen kostengünstigen Nachfolger für das Billigangebot der Bahn geben. Während sich die Parteien noch um den Preis streiten, muss es den Freunden des ökologischen Nahverkehrs allmählich mulmig werden. Ein weiteres Schnäppchen würde die Infrastruktur der Bahn wohl völlig aus den Gleisen werfen. Mit wirklicher Nachhaltigkeit jedenfalls hat das nichts zu tun, was da derzeit in der Koalition diskutiert wird. Am Ende nämlich dürfte die Bahn ganz schön abgewrackt dastehen. Zu einem anderen Thema: Michail Gorbatschow ist tot. Während Cicero gestern bereits einen ersten Nachruf von Ulrich Schlie veröffentlicht hat, folgt heute eine Einordnung von Thomas Urban. Der geht der Frage nach, warum die deutsche Gorbimanie ein Irrtum ist. Denn einzig in Deutschland wird Gorbatschow zur Lichtgestalt verklärt, auch die Nachrufe ähneln Heiligenerzählungen. Doch das geht meilenweit an der politischen Realität vorbei. Die Wiedervereinigung wollte er eigentlich verhindern, seine Wirtschaftsreformen waren eine Katastrophe – und in Riga, Vilnius, Tiflis und Baku zeigte sich der Friedensnobelpreisträger als brutaler Imperialist, so Urban. Ergänzt wird der Text um ein Interview mit Lothar de Maiziere. Der ist der Meinung, dass Michail Gorbatschow seinen Nach-Nachfolger Putin nie gemocht habe, aber sie seien sich auch nicht nur uneinig gewesen. Mit Gorbatschow jedenfalls verliere Deutschland einen Freund, so der ehemalige Ministerpräsident der DDR, für den Gorbatschow „unser großer Mutmacher“ war. Andere indes hatten andere Mutmacher: Winnetou zum Beispiel. Der aber ist derzeit derart in die Kritik geraten, dass einem der Mut zuweilen sinken will. Cicero-Autor Axel Meyer zieht daher einen gewagten Vergleich Ende der 1980er-Jahre wollten fanatische Ideologen eine tolerante Gesellschaft dazu zwingen, Salman Rushdies „Die satanischen Verse“ nicht zu lesen. Auch heute wollen fanatische Ideologen eine tolerante Gesellschaft dazu zwingen, dass nicht mehr alles gesagt oder gelesen werden darf. Damals waren es islamistische, heute sind es woke Ideologen, so Meyer in seinem Text über die satanischen Zeilen des Karl May. Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |